Spielen, bis die Funken fliegen

von Redaktion

Tilman Dost, Intendant der Münchner Symphoniker, blickt voller Vorfreude auf die neue Saison

Nach der Ära von Kevin John Edusei beginnt für die Münchner Symphoniker eine Phase der Neuorientierung, in der sich am Pult viele Bekannte mit neuen Talenten abwechseln. Als „Artist in Residence“ wird wie berichtet Nodoka Okisawa dabei zwar nicht die erste Chefdirigentin eines Münchner Orchesters, wohl aber die erste Frau am Pult, die eine Konzertsaison maßgeblich prägen darf. Wir sprachen mit Intendant Tilman Dost über die spannende Zeit, die auf sein Orchester und das Publikum zukommt.

Wie optimistisch blicken Sie in die neue Saison?

Wir haben zum Glück einen sehr treuen Abonnenten-Stamm. Das gibt eine gewisse Sicherheit. Aber wie es mit dem freien Verkauf im Herbst läuft, wissen wir nicht. Ich hoffe, dass es nicht erneut eine Corona-Spielzeit wird, weil man Gefahr läuft, das Publikum zu entwöhnen.

Gibt es im Programm populäre Zugeständnisse, oder darf man sich weiter auf Entdeckungen freuen?

Wir wollen schon weiter unser eigenes Profil haben. Aber als symphonisches Orchester haben wir in einer Stadt wie München den Anspruch, dass wir auf Augenhöhe mit den Großen bestehen wollen. Und da gibt es dann halt mal Werke wie Beethovens Siebte. Einfach, weil wir zeigen wollen, dass wir das auch können.

Warum ist die Chefposition in der kommenden Saison nicht besetzt?

Kevin John Edusei hat die Symphoniker acht Jahre sehr geprägt und mit ihnen viel erreicht. Uns war es wichtig, dass das Orchester bei der Nachfolge involviert ist und man sich gemeinsam überlegt, wohin man sich nach dieser Ära entwickeln möchte.

Trotzdem war es kein spontaner Abschied, sondern länger angekündigt.

Die vergangenen Jahre waren in der Hinsicht schwierig, weil viele Konzerte ausgefallen sind und wir gar nicht so viele Dirigentinnen und Dirigenten zum Kennenlernen einladen konnten. Deshalb nehmen wir uns jetzt bewusst die Zeit. Gleichzeitig braucht es aber auch immer jemanden, den wir besonders in den Fokus stellen wollen. Daher das „Artist in Residence“-Modell.

Wie viele Residenzen wird es geben, ehe in München eine Entscheidung fällt?

Nodoka Okisawa ist einfach eine spannende Persönlichkeit. Und nach ihrem Einspringen dachten wir, es wäre schön, wenn das Orchester ein Jahr mit ihr an Projekten arbeiten darf. Das Modell läuft zunächst unabhängig von der Nachfolge-Frage. Aber wenn es zwischen Pult und Orchester funkt und man sich ineinander verliebt, kann durchaus mehr daraus werden.

Es sieht aber schon so aus, als ob es mit Okisawa nach ihrem ersten Münchner Auftritt bereits gefunkt hätte. Oder was gab den Ausschlag, sie als „Artist in Residence“ zu holen?

Sie kam damals relativ überstürzt, weil sie für Edusei einspringen musste. Viele Dirigenten kommen zu uns und wollen Programme für eine 120er-Besetzung machen. Aber das sind wir nicht. Und das ist auch gut so, weil wir vom Repertoire anderes bieten können. Okisawa hat sofort verstanden, wo das Orchester steht und was seine Stärken sind. Dazu haben wir darüber geredet, welche Perspektiven sie sieht und wohin sie das Orchester klanglich entwickeln möchte.

Neben Okisawa sorgen unter anderem Alondra de la Para, Lucie Leguay oder Viktoriia Vitrenko dafür, dass das Verhältnis zwischen Damen und Herren am Pult deutlich ausgewogener ist als bei vielen anderen Orchestern. War das bewusst so geplant?

Nein, wir haben da keine Quote. Aber in der Generation der jungen Dirigentinnen, die gerade durchstarten, gibt es eben wahnsinnig viele spannende Künstlerinnen. Und viele, die manches anders interpretieren, als es ein Mann tun würde. Das haben wir etwa bei Yi-Chen Lin gemerkt, mit der wir im Sommer gleich noch mal ein Konzert in Amsterdam spielen. Das empfinde ich für das Orchester absolut als Bereicherung.

Gibt es kommende Projekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen?

Hier möchte ich an erster Stelle zwei Konzerte nennen, die wir mit Solisten aus dem Orchester machen. Was keine Sparmaßnahme ist, sondern aus der Überzeugung heraus entstand, dass wir ganz hervorragende Musikerinnen und Musiker in unseren Reihen haben, sie sich da selbstbewusst behaupten können. Und auch die Tournee-Planungen, die langsam wieder beginnen, sind wichtig. Gerade für ein Orchester, das kein eigenes Haus hat. Das schweißt das Ensemble immer zusammen.

Und wie sieht es mit dem Kontakt zum Publikum aus?

Ich bin sehr stolz auf unser After-Work-Format „HörBar“ im Technikum, weil man sieht, dass wir dort schon ein signifikant jüngeres Publikum erreichen. Den Platz im Werksviertel, den wir uns damit erobert haben, wollen wir auf jeden Fall verteidigen.

Das Gespräch führte Tobias Hell.

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