Andrew Bird ist eine Entdeckung – jedes Mal von neuem, wenn irgendwo irgendjemand auf einen Play-Button drückt. Er ist Künstler, Könner, Multitalent und zwischen Leidenschaft und Lässigkeit ein schräger Vogel des Understatements. Er hat Violine studiert, ist im Jazz zu Hause, spielt souverän sowohl Gitarre als auch Klavier und kann virtuoser singen und pfeifen als jede Amsel.
Seine Philosophie speist sich aus Fantasie, seine Romantik aus Revolte. Seine feinen Melodien schützen Leichtigkeit vor, doch die fantastischen Abgründe in seinen Texten reichen tief. All dies mixt er zwischen Pop, Folk, Blues, Rock, einem Hang zur Theatralität und einer Meisterschaft in Sachen Loop Station unter das Label „Alternative“. Ganz genau ist nicht zu fassen, woraus seine Songs gemacht sind. Ob aus Melancholie, Ironie, Nostalgie, Dystopie: Am Ende sind sie alle experimentelle Dialoge seiner unvergleichlichen Vielseitigkeit.
Jetzt war der US-amerikanische Indie-Intellektuelle, Jahrgang 1973, in der Freiheitshalle zu Gast und damit zum ersten Mal überhaupt – nach 17 Platten und gut 26 Jahren voller Touren – in München. Zum Einstieg ließ sein genialer Alltagsrebell „Sisyphus“ von 2019 („My finest Work yet“) den Stein einfach rollen – „to Hell with this“ –, auf dem Höhepunkt lösten sich die pubertären „Inside Problems“ im Titelsong seines aktuellen Albums regelrecht jauchzend ins Erwachsenenleben auf, bevor mit der Freund-versus-Feind-Frage in „Never fall apart“ das Set nach großzügigen 16 Nummern überraschend getragen und nachdenklich zu Ende ging.
Dass Bird sich samt Bassist und Schlagzeuger vom glückseligen Münchner Publikum noch zu zwei Zugaben anstiften ließ, eine davon der mitreißende 2016er-Ohrwurm „Capsized“ („Are you serious“), versöhnte ruckzuck mit der eigenwilligen Gig-Dynamik. Aber was ist schon normal bei einem Experiment, in dem eigentlich jeder Song ein kleines Konzert für sich ist, an- und abflauend und zwischendurch aufbrausend wie die Sturmflut unterm orangeroten Supermond!