In ihrer Heimat Frankreich ist die in Rennes geborene und in Algerien aufgewachsene Nina Bouraoui längst ein Literaturstar. Mit „Geiseln“ liegt nun erstmals ein Buch der Autorin auf Deutsch vor. Die knappe Sprache schlägt einen sofort in ihren Bann. In stakkatohaften Sätzen erzählt Bouraoui von der Tragödie im nahezu unauffälligen Leben der Gummifabrik-Angestellten Sylvie Meyer. Die 53-Jährige soll für den Chef Kollegen bespitzeln, dagegen setzt sie sich zur Wehr. Diese Auseinandersetzung spült in Sylvie Verdrängtes an die Oberfläche. Bouraouis Heldin ist eine einfache Frau. Entsprechend klar und schnörkellos ist ihre Ausdrucksweise, sind auch die Bilder und Szenen. Dennoch weitet dieser Roman den Blick über das Einzelschicksal hinaus. Und zeigt eindringlich, dass das Dasein der meisten misshandelten Frauen sich durch #MeToo-Diskussionen der Bildungsbürgerschicht kaum ändern dürfte. ulf