Herbert Quandt hat es damals sofort erfasst. Im wahren Sinne des Wortes. Es ist das Jahr 1968 und man überlegt, wie das neue Verwaltungsgebäude von BMW ausschauen soll. Der Entwurf des Wiener Architekten Karl Schwanzer steht zur Auswahl. Weil Quandt inzwischen schlecht sieht, wird eigens ein Miniaturmodell gefertigt. Der Industrielle ertastet es – und zeigt sich begeistert von Schwanzers kühner Idee. 22 Stockwerke in Form eines gigantischen Vier-Zylinder-Motors will der als Hängekonstruktion aus Stahl verwirklichen. Und darf’s: Er erhält den Zuschlag. Seit 50 Jahren steht das Gebäude. Am Freitag feierte das Unternehmen das bei einer überaus kurzweiligen Sause in der BMW Welt. Immer neue Überraschungen wurden da für die rund 200 geladenen Gäste aus den Zylindern gezogen.
Auch Schwanzers Enkelin ist gekommen, um gemeinsam mit einem von dessen Schülern, Wolf Dieter Prix, zu erzählen, was das Faszinierende an ihrem Großvater war. „Der war mal gut, mal böse – wie eben Professoren so sind“, erinnert sich Prix sympathisch offen. Um dann auf Nachfrage zu betonen: „Böse ist nicht böse gemeint! Er hat uns Studenten einfach tatsächlich gefordert und auf diese Weise gefördert. Er hat uns Mut gemacht, Architektur für die Zukunft zu entwickeln.“ Prix hat das zu spektakulären Bauwerken inspiriert. In einem steht er gerade: Die BMW Welt hat er vor 15 Jahren geplant. Vis-à-vis vom ikonischen Bau seines Professors. „Vielleicht ist das ja Inspiration für die nächste Generation von Architekten“, meint er lächelnd.
Während die Münchner Philharmoniker spielen, verschwindet Ministerpräsident Markus Söder. Wird ihm die Feierstunde zu lang? Von wegen. Der Meister der Selbstinszenierung hat seinen Stuhl verlassen, um umso wirkungsvoller wieder aufzutauchen: in einem alten BMW-Polizeiauto. „Fast wie im richtigen Leben“, meint Söder schelmisch – und hat die Gäste für sich gewonnen. Die Chef-Riege in Reihe eins ohnehin, als er verkündet: „Als bayerischer Ministerpräsident muss man ja schon von Amts wegen BMW-Fan sein, ich bin es auch persönlich immer gewesen.“ Sein erstes Auto? Nach „irgendeinem alten Japaner“, den der Papa ihm geschenkt hatte: ein BMW 316i. „Selbst erarbeitet und beim Kauf heimlich unterstützt von meiner Mutter“, verrät er.
Klar möchte Söder sich auch ein bisschen sonnen in dem Glanz, den der bayerische Weltkonzern versprüht. Immer wieder betont der Ministerpräsident, wie stark der Freistaat diese „Weltmarke BMW“ fördere. Gerade jetzt, da man wegen der Herausforderungen des Klimawandels vor einem „gigantischen Transformationsprozess“ stehe. So launig – und dezidiert politisch, wenn er etwa für die Aufrechterhaltung der Kernenergie plädiert – Söders Rede ist, was besonders nachwirkt an diesem Nachmittag, sind die Worte von Francis Kéré.
Wie berichtet, wurde der in diesem Jahr mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet, so etwas wie dem Nobelpreis der Architektur. Der 57-Jährige lehrt an der TU München, das Architekturmuseum zeigte kürzlich eine seiner bekanntesten Arbeiten (wir berichteten): ein Modell von einer der vielen Schulen, die der gebürtige Afrikaner unter anderem in seiner Heimat Burkina Faso errichtet hat – gemeinsam mit den Menschen dort. Die Häuser bestehen aus Lehmblöcken, die jeder selbst mit einer Handpresse fertigen kann. Die vorhandenen Ressourcen nutzen und nicht weiter Raubbau an unserem Planeten betreiben, darum geht es Kéré.
Der wird nicht mit einem alten Benziner, sondern auf einem elektronisch betriebenen Motorrad reingefahren. Dass BMW ihn als Ehrengastredner ausgesucht hat, ist Symbol dafür, dass das Geburtstagskind die Zeichen der Zeit erkennt. Dass – wie damals vor 50 Jahren, als mit den Olympischen Spiele eine neue Aufbruchsstimmung nach München kam – auch heute wieder ein neuer Wind wehen muss, um Veränderung zum Positiven zu bringen. Um zu verdeutlichen, dass das möglich ist, erinnert der Architekten-Star an seine eigene Lebensgeschichte. Wie er nach Deutschland kam und dachte: Das sei das Schlaraffenland. Nicht, weil hier Milch und Honig flössen („obwohl hier auch Milch und Honig fließen. Und Bier!“), sondern weil es Bildung für alle gibt. Er stürzte sich hinein in das Meer an pädagogischen Angeboten. Arbeitete tagsüber und lernte abends fürs Abitur. Studierte Architektur – und macht heute mit seinen Gebäuden die Welt zu einem besseren Ort. „Indem ich die Baumaterialien nutze, die uns die Natur schenkt“, erklärt er sein Erfolgsrezept. Und bittet dann die BMW-Führungsspitze, es ihm gleichzutun. „Auch im verstecktesten Dorf in Afrika kann man graben und Licht finden. Stellen Sie sich vor, was möglich ist, wenn nicht ein kleiner Student wie ich damals, sondern ein Unternehmen wie Ihres sich das auf die Fahnen schreibt.“
Manchmal, das wird deutlich an diesem Freitag, werden Wünsche wahr. Wie für Karl Schwanzer. Sein einstiger Schüler Prix erinnert sich: „Es war Dezember, als er uns Studenten verkündete: Seit heute glaube ich an den Weihnachtsmann: Ich habe den Auftrag bekommen!“ Ein Geschenk – für alle Münchner.