Musik zum Dahinschmelzen

von Redaktion

She & Him verneigen sich vor Brian Wilson

VON CHRISTOPH ULRICH

Für gewöhnlich gehen Radiostationen um diese Zeit auf die Suche nach dem Sommerhit des Jahres. Würde es mit rechten Dingen zugehen, wäre dieses Album ein heißer Kandidat für den Titel. Richtig gelesen: das Album, nicht ein Song. Zu „Melt away“ lässt sich nämlich auf Albumlänge dahinschmelzen.

Hinter She & Him verbirgt sich ein prominentes Duo, nämlich Schauspielerin Zooey Deschanel („New Girl“, „Almost famous“) und Songwriter Matthew Steven Ward, kurz M. Ward (Monsters of Folk, Bright Eyes). Seit 15 Jahren machen die beiden gemeinsam Musik, veröffentlichten bereits sechs Alben und verzücken Fans weltweit mit intimen, herzerwärmenden Auftritten. Sie treiben sich im obskuren Genre „Indie Folk“ herum und verstehen sich nicht als nebenbei musizierendes Promi-Duo, sondern gehen ihre Musik mit aller Ernsthaftigkeit an. Deschanels stilsicheres Faible für alles aus den Sechzigern, für träumerische Musik mit Tiefgang und Wards sehr analoger, ebenfalls stark vom Popgeschehen der Sechziger geprägter, reduzierter Singer-Songwriter-Ansatz sind ein „Match made in Heaven“.

Das beweist auch ihr neues, siebtes Album, eine knapp 40-minütige Würdigung von Brian Wilsons Schaffen. Im Frühjahr 2020 beschäftigten sich die beiden gebürtigen Kalifornier mit dem Werk des musikalischen Vorzeige-Kaliforniers und Vordenkers der legendären Beach Boys.

Unabhängig von Chart-Platzierungen wählten die beiden Künstler 14 Stücke für ihre Verbeugung vor dem Idol aus. So erklärt es sich, dass sonnige Wohlfühlhits wie „Wouldn’t it be nice“ neben schwermütigen Melancholie-Destillaten wie „Til I die“ stehen – und doch eine homogene Reihe abbilden. Das liegt daran, dass Deschanel und Ward sich nicht nur mit Respekt, sondern auch mit eigener künstlerischer Vision nähern und beispielsweise totgenudelten Stücken wie „Don’t worry Baby“ durch minimalistische Interpretation eine komplett neue Seite abgewinnen. Dass Wilson selbst bei „Do it again“ mitsingt, darf als Ritterschlag gewertet werden.

She & Him:

„Melt away: A Tribute to Brian Wilson“ (Fantasy Records/Concord).

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