Cecilia Bartoli ist bekannt für ihre akribisch recherchierten CD-Projekte, mit denen sie vergessene Werke fürs Repertoire zurückerobert. Zuletzt widmete sie sich dem berühmten Kastraten Farinelli (1705-1782). Ein Programm, das nach zweimaliger Verschiebung heute Abend endlich in der Münchner Isarphilharmonie zu erleben ist. Vorab sprachen wir mit der Sängerin.
Worauf darf sich das Publikum freuen?
Auf eine musikalische Abenteuerreise durch das 18. Jahrhundert, wobei die meisten Werke selbstverständlich für Farinelli komponiert wurden. Ich bin sehr froh, dass wir das jetzt endlich nachholen können, und bin schon sehr gespannt auf den neuen Saal.
Das Programm scheint aber nicht nur in musikalischer Hinsicht Abwechslung zu bieten.
Als Kastrat hat Farinelli nicht nur Männer auf der Bühne verkörpert, sondern auch Frauenrollen. So hat er zum Beispiel in Hasses „Marc’ Antonio e Cleopatra“ die Kleopatra gesungen, während neben ihm als Antonius eine Altistin auf der Bühne stand. Diese Bandbreite will ich zeigen.
Gender-Klischees zu hinterfragen, ist sehr aktuell. Waren die Barock-Komponisten damit ihrer Zeit voraus?
Wahrscheinlich. Ich habe oft das Gefühl, dass das 18. Jahrhundert in dieser Hinsicht sogar noch viel offener war, als wir es heute sind. Zumindest auf der Bühne.
Beim Soundtrack des berühmten „Farinelli“-Films wurden ein Countertenor und eine Sopranistin künstlich verschmolzen. Wie haben Sie Ihre Farinelli-Stimme gefunden?
Niemand kann seine Stimme imitieren, weil es keine Aufnahmen von ihm gibt. Unsere einzigen Anhaltspunkte sind die für ihn komponierten Arien. Mein Anspruch ist es, vor allem der Musik von Porpora und Co. bestmöglich zu dienen. So, wie es Farinelli zu seiner Zeit getan hat.
Wo liegen hier die größten Herausforderungen?
Farinelli war der Divo seiner Zeit. Die Musik ist daher sehr anspruchsvoll, mit langen Phrasen, die man auf einem Atem singen muss. Gleichzeitig gibt es aber auch das Koloraturen-Feuerwerk, das man bei einem Virtuosen wie ihm erwartet. Das ist ein sehr spannender Kontrast.
Sie werden auch Arien von Farinellis Bruder Riccardo Broschi singen. Wie würden Sie ihn charakterisieren?
Broschis Musik ist sehr aufregend, weil sie auf Farinelli zugeschnitten ist. Das fordert eine sehr flexible Stimme, aber auch den Wechsel vom leisen Pianissimo zum kraftvollen Fortissimo. Und selbst wenn ich Händel oder Porpora höher einstufen würde, verdient er es, heute aufgeführt zu werden. Genau wie Caldara. Was ich bei ihm liebe, sind diese auf den ersten Blick sehr einfachen Phrasen, die einen trotzdem mitten ins Herz treffen.
Das Gespräch führte Tobias Hell.
Konzert
heute, 20 Uhr, in der Isarphilharmonie; Karten unter muenchenmusik.de.