Dröhnend unter dem Donner von Trommeln und Posaunen lässt Carl Orff in seinem Endzeitspiel „De temporum fine comoedia“ die Welt untergehen. Erstmals zu hören 1973 bei den Salzburger Festspielen, die das monumentale Werk nun – der aktuellen Lage durchaus angemessen – als erste Opernpremiere des Sommers auf den Spielplan gesetzt haben. Nicht gerechnet haben dürfte man an der Salzach allerdings mit den kaum weniger lautstarken Protestchören und Pfiffen in der Hofstallgasse, die den prominenten Festspielgästen am Dienstag die Freude trübten. Wobei die Motivationen der Demonstrierenden unterschiedlich waren und laut einer Polizeisprecherin „von Corona bis zum Krieg“ reichten. Eine unheilige Allianz, die sich in den vergangenen Monaten schon öfter beobachten ließ. Mitten in der Menge war dann unter anderem auch ein Banner, das die elitäre „Kunst im Elfenbeinturm“ kritisierte.
Drinnen war von all dem nur wenig zu spüren, wo das Publikum die von Romeo Castellucci als großes Spektakel inszenierte Chor-Oper ebenso feierte wie den im Vorfeld keineswegs unumstrittenen Dirigenten Teodor Currentzis. Sein großer Moment war bei diesem Doppelabend eher vor der Pause zu verorten.
Hier stellte man dem einst durch Herbert von Karajan uraufgeführten Orff zunächst Béla Bartóks zwei Personen-Drama „Herzog Blaubarts Burg“ voran, für das der Regisseur und Ausstatter in Personalunion einen Weg der extremen Reduktion einschlug.
Die im Libretto beschworene Dunkelheit nimmt Castellucci beim Wort und lässt die erste Etappe gleich in mystischer Finsternis spielen. Später wird sie vorsichtig durchbrochen von einer schmalen Flammensäule, deren mattes Licht bestätigt, was das Ohr nach platschenden Schritten bereits erahnte: Castellucci hat die Bühne komplett geflutet und spielt lustvoll mit dem Kontrast der Elemente. Brennende Kreise, Linien und Symbole, die sich auf dem nassen Boden spiegeln, markieren das Vorwärtstasten durch die sieben Kammern, in denen sich Judith allmählich die düsteren Geheimnisse Blaubarts offenbaren.
Choreografiert von Cindy Van Acker, vollführt das Paar in diesem diffusen, unbehaglichen Raum einen immer angespannter werdenden Totentanz. Intensiv gespielt vor allem von Ausrine Stundyte, die bei ihrem packenden Rollenporträt zuweilen den Schönklang dem Ausdruck opfert, ihre Stimme aber im richtigen Moment gefühlvoll zurückzunehmen versteht und das Publikum mit ihrer Figur mitfühlen lässt. Fernab vom Klischee des brutalen Frauenmörders bewegt sich zum Glück Mika Kares, dessen kantiger Bass immer wieder verletzliche Momente zulässt. Gefühlvoll begleitet werden die beiden von Currentzis, der das Gustav Mahler Jugendorchester zumeist vorsichtig abdämpft und so auf ein umso wirkungsvolleres Crescendo zum Höhepunkt des Dramas zusteuert.
Markante Bilder gibt es ebenso im etwas helleren zweiten Teil des Abends, der die Tragödie des Paares auf die gesamte Menschheit ausweitet. Orffs lose aneinander gereihten, apokalyptischen Episoden werden dabei von den für ihn typischen Sprechchören dominiert. Die werden mit inbrünstigem Pathos herausgeschleudert vom musicAeterna Choirs und von den Mitgliedern des Salzburger Bachchors. Nach den Prophezeiungen der Sibyllen macht besonders die von Schauspieler Gero Nievelstein mit klarer Diktion angeführte Szene der Anachoreten Eindruck.
Bei allem Aufwand und den zuweilen plakativen Dezibel-Gewittern, die Currentzis im Graben abfeuert, hinterlässt Orffs nicht allzu gut gealtertes Werk aber doch einen eher matten Eindruck. Trotz einiger szenischer Klammern, mit denen Castellucci eine Verbindung herzustellen versucht, ist hier im wahrsten Sinne des Wortes der Schatten des szenisch dicht gearbeiteten und einfühlsam dirigierten Bartók-Einakters einfach zu übermächtig.
Weitere Vorstellungen
am 31. Juli sowie am 2.,6., 15. und 20. August; Telefon 0043/662/8045 500.