Überwältigend

von Redaktion

Die „Frau ohne Schatten“ wird bei den Münchner Opernfestspielen zum intensiven Hör-Erlebnis

Wie ein Naturereignis brach sich Richard Strauss’ „Frau ohne Schatten“ im Nationaltheater Bahn. Nicht nur die Flut brach ein ins Färberhaus, zuvor und hernach überwältigten Sebastian Weigle und das fulminante Bayerische Staatsorchester die Zuhörer mit brutal herausgepeitschten Klangwogen. Gerade in den kurzen symphonischen Überleitungen trieben Dirigent und Musiker die Phonstärke gewaltig in die Höhe. Doch zur wirklichen Überwältigung gehört bei Strauss weitaus mehr. Und auch das lieferten die Interpreten: zarte Lyrismen, weite Bögen, flirrende Klangschattierungen und üppige Auffächerungen, in denen die Instrumentierungskunst zum Erlebnis wurde. Das alles, von Weigle bestens strukturiert und temperamentvoll aus dem Orchester geschöpft, drückte die Zuhörer in die Sessel.

Weil sich zu diesem intensiven, herausfordernden und beglückenden Hörerlebnis eine hochkarätige Sängercrew gesellte, die sich in Krzysztof Warlikowskis psycho-dichter Inszenierung offensichtlich wohlfühlte, wurde diese Festspiel-Wiederbelebung zum Ereignis. Die symbolsatte, neun Jahre alte Produktion in der Ausstattung von Małgorzata Szcześniak kann immer noch überraschen und fesseln. Graben und Bühne also auf höchstem Spannungslevel. In jeder Pause ließ das Publikum seiner Begeisterung freien Lauf.

Wie sehr Strauss Frauenstimmen liebte, dafür liefert die „Frau ohne Schatten“ vielfache Beweise. Das Damen-Trio war denn auch eine Wucht. Der weit sich öffnende, mühelos in silbrige Höhen aufsteigende Sopran Camilla Nylunds (Kaiserin) betörte bis zuletzt. Als verführerische Spielmacherin überzeugte Michaela Schusters Amme mit ebenso stattlicher Stimme wie Figur und Geste. Die Tragik der unverstandenen, unglücklichen Färberin spiegelte sich ergreifend in Nina Stemmes dramatischer Intensität. Den Damen ebenbürtig, beglückte Michael Volle als Färber mit seinem kraftvollen wie samten strömenden Bariton. Nicht ganz ohne Anstrengung meisterte Eric Cutler die Partie des Kaisers. Mitten hinein in den Schlussjubel für alle flatterte die Urkunde einer frisch ernannten Kammersängerin: Nina Stemme! GABRIELE LUSTER

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