Natürlich lächelten viele Menschen spöttisch, als Wolfgang Petersen Mitte der Achtzigerjahre verkündete, fortan in Hollywood zu leben und zu arbeiten. Aber aus seiner Sicht war das nur schlüssig. Deutschland, Heimat des „staatlich geförderten Nullfilms“, war damals für den Regisseur endgültig zu klein geworden. Und in den USA ist Petersen nun auch gestorben. Wie erst gestern am späten Abend bekannt wurde, erlag er bereits am vergangenen Freitag im Alter von 81 Jahren dem Bauchspeicheldrüsenkrebs. Er sei friedlich im Kreis seiner Familie in seinem Haus in Brentwood, einem Teil von Los Angeles, gestorben. Seine Frau Maria war an seiner Seite, teilte seine Assistentin mit.
Mit dem „Tatort: Reifezeugnis“ hatte der Filmemacher 1977 deutsche Fernsehgeschichte geschrieben – mit seinem Kinofilm „Die Konsequenz“ im selben Jahr erregte er eine landesweite Debatte, weil er darin reichlich unverblümt Homosexualität thematisierte. Das BR-Fernsehen sah sich in jenen Tagen nicht in der Lage, seinen Zuschauern so etwas zuzumuten. Mit „Das Boot“ schließlich lieferte Petersen 1981 den bis dahin international erfolgreichsten deutschen Kinofilm überhaupt und danach mit „Die unendliche Geschichte“ die mit rund 50 Millionen D-Mark teuerste Nachkriegsproduktion des Landes. Für den Regisseur, den versierten Film-Handwerker mit den großen Visionen, war danach in Deutschland eben tatsächlich nicht mehr viel zu reißen.
Also Hollywood, wo der in Emden geborene und in Hamburg aufgewachsene Filmemacher, der an der an der deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin ausgebildet wurde, durchstartete mit ambitioniertem Unterhaltungskino. Man schätze in der Traumfabrik Petersens Effizienz und Unaufgeregtheit; der Deutsche hatte zudem seit jeher eine Schwäche fürs Genre-Kino. Er drehte mit den größten Stars der Traumfabrik und hatte die Produktionen beneidenswert gut im Griff. Clint Eastwood und John Malkovich in „In the Line of Fire“ (1993), Dustin Hoffman in „Outbreak“ (1995), Harrison Ford in „Air Force One“ (1997) und George Clooney in „Der Sturm“ (2000). Das waren an den Kinokassen auf der ganzen Welt gewaltige Hits – allein in den USA spielten diese Filme jeweils mehr als 100 Millionen US-Dollar ein.
Doch Petersen hatte trotz seiner Erfolge zunehmend Schwierigkeiten, neue Projekte zu finden, die ihn auch wirklich interessierten. Denn der Trend zum Krawallkino, das vor allem am Computer entsteht, lag ihm nicht. Er mochte Entertainment, keine Frage – aber eben mit glaubwürdigen Charakteren und einer schlüssigen Geschichte: Dieser Regisseur war trotz seiner Affinität zum technischen Fortschritt in der Kinobranche ein im Grunde altmodischer Filmemacher, der Erzählstruktur und Dramaturgie des klassischen Hollywoods verpflichtet. Das freilich interessierte selbst in den USA die Studiokonzerne immer weniger – schließlich gerieten die im Lauf der Jahre immer mehr in die Hände globaler Investoren, die sich nicht wirklich für Film interessieren. Dafür aber umso mehr für ihre Rendite. Geschäft war Film natürlich immer, aber die Entscheider waren früher eben auch leidenschaftliche Filmliebhaber.
Mit dem epischen „Troja“ feiert Wolfgang Petersen dann im Jahr 2004, im Sog des Triumphs von „Gladiator“, nochmals einen großen Erfolg. Aber mit dem desaströsen Flop seiner Neuauflage des Katastrophenfilms „Poseidon“ (2006), seinem ersten echten Misserfolg, verabschiedete er sich aus Hollywood. „Ab und zu braucht man eben auf die Fresse“, kommentierte er damals nordisch klar.
Schließlich hatte er es allen gezeigt, eine solche Karriere hat – abgesehen vielleicht von Roland Emmerich – kein anderer seiner Landsleute in Hollywood hingelegt. Wolfgang Petersen war mit sich im Reinen.
Sein „Tatort: Reifezeugnis“ schrieb Geschichte