Überall die Erste

von Redaktion

Kurzweilige, aufschlussreiche Biografie über die Dirigentin Simone Young

VON TOBIAS HELL

Die erste Frau im Bayreuther Orchestergraben? Leichte Frage, natürlich Oksana Lyniv! Oder vielleicht doch nicht? Nein, denn technisch gesehen gebührt diese Ehre tatsächlich Simone Young. Selbst wenn es 1992 „nur“ eine Probe zur „Walküre“ war, bei der Daniel Barenboim seiner damaligen Assistentin das Pult überließ.

Doch auch ohne eine hochoffizielle Folge-Einladung auf den Grünen Hügel ist die Laufbahn der 1961 geborenen Australierin keineswegs arm an „ersten Malen“. So unter anderem mit dem medienwirksam dokumentierten Debüt bei den Wiener Philharmonikern. Einst eine der hartnäckigsten Männerbastionen, die Young sowohl in der Wiener Staatsoper als auch später im Konzert von ihren Fähigkeiten überzeugen konnte.

„Simone Young – Pionierin am Pult“ lautet daher der durchaus angebrachte Titel, unter dem Kerstin Schüssler-Bach nun ihre Biografie der Dirigentin vorlegt. Angereichert mit zahlreichen Kommentaren und Interviewausschnitten von Kolleginnen und Kollegen, die auf gemeinsame Karriere-Stationen zurückblicken. Von der musikalischen Prägung „Down Under“ über den Europastart an der Oper Köln, wo sie als Korrepetitorin mit Dirigierverpflichtung engagiert war und bereits damals schon einem jungen Regieassistenten namens Andreas Homoki nachhaltig im Gedächtnis blieb.

Interessant wird es aber vor allem im Kapitel zu Youngs Zeit als Intendantin der Hamburgischen Staatsoper. Eine Ära, in die neben dem ersten auf CD dokumentierten „Ring“ unter weiblicher Stabführung auch die eine oder andere kontrovers aufgenommene Produktion fällt und in der kulturpolitisch mehr als eine Schlacht geschlagen werden musste.

Ein bisschen Legendenbildung und Heldinnenkult schwingt da hin und wieder schon mit. Doch die Autorin, die in Köln und Hamburg als Dramaturgin mit Simone Young zusammenarbeitete, macht aus ihrem subjektiv gefärbten Blick sympathischerweise erst gar keinen Hehl. Wobei abseits persönlicher Anekdoten und Einblicken ins Familienleben vor allem die gewichtigeren Themen stets durch Perspektiven von außen geerdet werden und auch kritische Meinungen nicht unerwähnt bleiben.

Gerade diese Mischung macht das Buch zu einer ebenso interessanten wie kurzweiligen Lektüre. Als vielschichtiges Porträt einer durchsetzungsstarken Künstlerin, die sich zwar nie aufs Etikett der Pionierin reduzieren lassen wollte, mit ihrer Arbeit aber dennoch der heute aufstrebenden Generation junger Dirigentinnen die Tür mehr als nur einen ersten Spalt weit öffnete.

Kerstin Schüssler-Bach:

„Simone Young – Pionierin am Pult“. Edition text + kritik, München, 115 Seiten; 19 Euro.

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