Konzertante Opernaufführungen sind in der Regel obskuren Ausgrabungen vorbehalten, die dem Publikum im Repertoirealltag nur schwer schmackhaft zu machen sind. Eine Taktik, die auch bei den Salzburger Festspielen immer wieder gern praktiziert wird. Donizettis „Lucia di Lammermoor“ zählt zweifellos nicht zu solchen Raritäten. Wohl aber zu jenen Stücken, bei denen die Musik und das Virtuosentum klar an erster Stelle stehen.
Mit Lisette Oropesa hatte man daher im Großen Festspielhaus eine Sängerin aufgeboten, die in der Titelpartie derzeit nur wenig Konkurrenz zu fürchten hat. Und tatsächlich wurde die Amerikanerin bereits nach ihrer fulminanten Auftrittsarie vom Publikum frenetisch bejubelt. Denn selbst in Konzertrobe war ihr die intensive Bühnenerfahrung mit dieser Paraderolle in jeder Note anzumerken. Gerade in den Duetten beeindruckte die Sopranistin mit subtilen Schattierungen und fand in ihrer Stimme immer wieder neue Farben.
Leidenschaftlich glühend das schmachtende Duett mit Lucias Geliebtem Edgardo, dramatisch aufbegehrend im Streit mit dem aus politischem Kalkül Handelnden oder von zunehmender Melancholie umrandet, wenn sie dem väterlichen Freund Raimondo ihr Herz öffnete. Herzstück war natürlich auch die im Belcanto quasi obligatorische Wahnsinnsszene, in deren Kadenz Oropesa mit sauberen Trillern und feinstem Messa di voce das Publikum verzauberte und die Koloraturen nur so perlen ließ. Wobei sie diesen Moment nicht nur als vokales Bravourstück inszenierte, sondern auch dem Text die ihm zustehende Tiefe gab.
Dass Donizetti seine Oper keineswegs hiermit schließt, sondern dem Tenor das letzte Wort gönnt, mag in anderen Aufführungen hin und wieder verwundern. Doch mit Benjamin Bernheim hatte Salzburg einen mehr als ebenbürtigen Partner aufgeboten. Sanft zurückhaltend und manchmal noch etwas kehlig bei seinem ersten Auftritt, sang sich Bernheim schnell frei und übernahm im berühmten Sextett des zweiten Aktes selbstbewusst die Führung, ehe er nach der Pause im sonst oft gestrichenen Turm-Bild dramatischere Facetten zeigte. Gekrönt wurde alles vom emotional hoch aufgeladenen Finale, als Bernheim seine Tenortöne weich durch den Saal schweben ließ. Nicht ganz mithalten konnte neben diesen beiden Ausnahme-Erscheinungen Ludovic Tézier als Lucias Bruder Enrico. Er setzte vor allem auf große, kantige Töne, ließ es aber zuweilen an der für Donizetti unabdingbaren Geschmeidigkeit fehlen.
Ganz anders als Roberto Tagliavini, der die gern ins Abseits gedrängte Rolle des Raimondo mit samtig schwarzem Bass aufwertete. Oder Ann-Kathrin Niemczyk aus den Reihen des diesjährigen Young Singers Project, die aus den wenigen Noten, die der Komponist Lucias Vertrauter Alisa zugedacht hat, alles herausholte.
Wechselbäder bescherte dagegen das Mozarteumorchester Salzburg, das sich zu Beginn noch in einen frühen Verdi verirrt zu haben schien und von Daniele Rustioni mit mahnendem Finger an den Lippen immer wieder zum Piano ermahnt werden musste. Nachdem man sich aufeinander eingeschwungen hatte, gelangen dem Ersten Gastdirigenten der Bayerischen Staatsoper aber immer wieder eindrucksvolle Momente, in denen er den delikaten Details der Partitur nachspürte. Und dies stets in engem Augenkontakt mit seinen Sängerinnen und Sängern, deren Rollen er nicht nur stumm mitartikulierte, sondern sie wahrhaft mit durchlebte und so zu einem idealen Begleiter wurde.