Kult(o)ur in Oberbayern

von Redaktion

Kunstgenuss rund um den Starnberger See – Diese neuen Ausstellungen warten auf Sie

VON KATJA KRAFT (TEXT) & ASTRID SCHMIDHUBER (FOTOS)

Wie viel Kunst passt in einen Tag? Eine kunterbunte Palette voll. Wenn man in Oberbayern sein darf und die Augen öffnet für das, was die Natur dort für uns alle gemalt hat. Anschauen völlig kostenlos. Das Herz schwappt über vor Freude. Und weil jetzt Sommer ist und weil einem nach ein bisschen Weltflucht ist und weil die Augen mal wieder was richtig Schönes sehen möchten, brechen wir mit dem Auto auf zu einer Kult(o)ur rund um den Starnberger See. Sieben Ziele auf einen Streich. Wer Bahn und Radl nimmt, schafft sie nicht alle an einem Tag, doch das Neun-Euro-Ticket gilt ja noch bis kommende Woche. Auf, auf, es grünt so grün.

Schon bei der Ankunft auf dem Parkplatz des Buchheim Museums in Bernried. Der geschwungene Pfad hinunter zum See ist gesäumt von vogelwilden Plastiken. Innen wartet die Sonderausstellung „Brücke + Blauer Reiter“. Viele Besucher sind an diesem Morgen in den farbenprächtigen Sälen und staunen. Darüber, dass es dem Haus gelungen ist, so viele Hauptwerke der bedeutenden Gruppen Brücke und Blauer Reiter zusammenzubringen. Und darüber, was die Künstlerinnen und Künstler von Erich Heckel über Max Pechstein (Brücke), Gabriele Münter bis Paul Klee (Blauer Reiter) Berauschendes geschaffen haben. Es sind Bilder aus den Blütejahren 1905 bis 1914. Einen frischen Blick möchte die Schau auf diese Schaffensperiode bieten. Tatsächlich ist man als Betrachterin überrascht, wie sehr sich die Werke der tonangebenden Gruppierungen des Expressionismus ähneln. Und dass es Diskussionen um das Wieviel an Abstraktion gar nicht so sehr zwischen den Gruppen gab – sondern innerhalb derselben. Bei allem aber überwiegt die Gemeinsamkeit, der Drang, Gefühle bildlich auszudrücken. Wie sehr sie sich dabei auch von der oberbayerischen Natur inspirieren ließen – ein Fest fürs Auge! (Bis 13. November im Buchheim Museum, Di.-So., 10-18 Uhr.)

Dann tritt man hinaus auf den Steg des Museums, schaut auf den glitzernden See, die lockenden Gipfel – und fragt sich einmal mehr, wie anders das Werk von Franz Marc und Co. ausgesehen hätte ohne diese magische Landschaft. Wir lassen die Berge rufen und spazieren stattdessen durch den Sonnenschein ins Örtchen. Dort steigt bis 18. September das Humorfestival Bernried. Im Klostergarten haben Mia Böddecker, Alto Hien und Erwin Schwentner ihre Skulpturen platziert. Doch wenn man etwa Schwentners steinerne Ladys auf der Wiese fläzen sieht, hat man eher das Gefühl: Die haben sich selbst hier ausgebreitet. Beäugt von einem Herrn, der sich vergeblich im Schilf versteckt. Komisch wird dieses Manschgerl durch den Titel, den der Künstler ihm verpasst hat: „Voyeur, der (männl.)“. Böddecker lässt derweil Fabelwesen im Klostergarten-Weiher schwimmen, tauchen, das sommerliche Leben genießen. Da würde man am liebsten mitmachen. Lustig und schön zugleich. (Das Humorfestival läuft bis 18. September in Bernried: www.forum-humor.de.)

Naheliegend wäre jetzt ein Eis. Wir aber möchten auch kulinarisch Kunst erleben. Laufen deshalb zu Clement Chococult am S-Bahnhof. Es ist halb eins, kurz vor Ladenschluss. Gerade rechtzeitig, denken wir – und sehen erst dann den Automaten neben dem Geschäft. Oder wie Franz Clement ihn nennt: Herbert. Neben seiner Frau und den Söhnen Max und Sebastian ist Herbert sein wichtigster Mitarbeiter. Der Automat liefert rund um die Uhr Schokoladengenuss. Wie gut er genutzt wird, zeigen die leeren Fächer, die Max fix auffüllt. Wir sind so angetan von den Schoko-Schweinereien, dass wir welche für daheim mitnehmen. „Für daheim“, ja ja. Sie haben München nie erreicht. (In Bernried, am Rindermarkt München und online unter clement-chococult.de.)

Wer mit dem Rad unterwegs ist, hat jetzt genug süße Energie getankt für die rund 20 Kilometer nach Polling. Und wir trägen Autofahrer für den 20-minütigen Fußweg, den wir vom dortigen Parkplatz noch bis zum eigentlichen Ziel zurücklegen müssen. Das ist: der Skulpturenpark STOA169. Mitten in der Landschaft. Mehr als 100 Künstler aus aller Welt haben Säulen gestaltet, gemeinsam tragen sie das Dach. Eine überdimensionale Gurke von Erwin Wurm oder ein Streichholz von Bjørn Melhus – durch diesen Säulenwald streift man gern. Durch quadratische Löcher in der Decke fällt Licht in die offene Halle, ein Bäumchen wächst daraus der Sonne entgegen. Ein Erlebnis, das keinen Eintritt kostet. Spenden aber darf man gern hinterlassen. (STOA169 an der B472 in Polling. Infos: stoa169.com/de)

Kunst, die was zu sagen hat, ist immer auch politisch. Wie im Museum Penzberg. Dort erzählt die Schau „Menschlichkeit als Motor“ die Geschichte des Roten Kreuzes und zeigt zeitgenössische Kunst zu den Themen Gesundheit, Körper, Verletzlichkeit. Besonders im Gedächtnis bleibt ein Werk der 1991 geborenen Spanierin Sandra Bejarano. Für die Installation „I am gonna donate my Eggs, I am gonna freeze my Eggs“ hat sie Frauen gefragt, warum sie ihre Eizellen einfrieren lassen – und präsentiert die Antworten nun in großen Lettern. Von amüsant („Ich werde meine Eizellen spenden, weil ich keine Kinder haben möchte, aber es eine Verschwendung fände, meinen Sinn für Humor nicht weiterzuvererben“) bis kritisch („Ich werde meine Eizellen einfrieren, weil das Patriarchat dafür gesorgt hat, dass wir von Mutterschaft besessen sind.“). Junge feministische Kunst, die beeindruckt. (Bis 31. Oktober im Museum Penzberg – Sammlung Campendonk, Di.-So., 10-17 Uhr.)

„Und morgen nach Murnau!“ heißt die Ausstellung im Schloßmuseum. Warum bis morgen warten? Wir düsen jetzt in die entzückende Gemeinde. Der Schönegger Käse-Alm-Laden hat leider Ruhetag. Aber wir sind ja nicht zum Futtern da. Also direkt ins Museum. Was das kleine feine Haus einem bietet, ist alles andere als Käse. Es präsentiert „Treppe zum Schloß“ (1909) von Kandinsky, das lange als verschollen galt. Das Gemälde ist Höhepunkt einer Schau mit Werken von Münter und Kandinsky, die Bezug zur Murnauer Schaffenszeit des Paares haben. Wieder eine künstlerische Liebeserklärung an die Region. Wieder ein inneres Frohlocken beim Betrachten. Am liebsten würde man selbst zum Pinsel greifen. Oh, wie schön ist Oberbayern!

(Bis 9. Oktober im Schloßmuseum Murnau. Di.-So., 10-17 Uhr.)

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