Höfisch sind das Sujet wie das Setting: Mozarts „Le nozze di Figaro“ handelt von Tändeleien zwischen Adel und Volk; der Nymphenburger Hubertussaal zeugt von aristokratischer Erhabenheit. Das kann man mit klassisch tradierten Mitteln betonen oder aber mit nahbarem Witz und luftiger Finesse brechen. Die Kammeroper München wählt den zweiten Weg und liefert damit ein mitreißend zeitgemäßes Bravourstück ab, das gleichermaßen Spaß wie Kunstgenuss garantiert.
Vor der Bühne versammelt die Dirigentin Johanna Soller ihr Orchester im Taschenformat, das sie vom Hammerklavier aus dirigiert. Das Ergebnis ist ein unmittelbarer, direkter und nahbarer Klang. Auch die Bühne ist von überschaubarer Größe – wobei Bühne: Das Gesangsensemble bespielt den ganzen Saal und reißt damit die berühmte vierte Wand fast nebenbei ein.
Nahbar ist die Version von „Figaros Hochzeit“ auch dank der Sprache, weil der italienische Originaltext ins Deutsche übertragen wurde – und dies so frei, dass es unserem Zeitgeist entspricht und doch den geschmeidigen Schmäh von Librettist Lorenzo da Ponte respektiert. Die Handlung wird verständlich, ohne auf vermittelnde Übertitel angewiesen zu sein. Die Situationskomik dieses irren Verwirrspiels kann unmittelbar wirken, was am Premierenabend zu herzlichen Lachern führt. Diese sind allen voran dem Regisseur Maximilian Berling zu danken, der es geschafft hat, in den eigentlichen Kern von Mozarts Oper vorzudringen: eben zum Witz, der im ungehemmten Ausleben menschlicher Schwächen liegt.
Dass die Regie-Rechnung aufgeht, ist nicht zuletzt der schauspielerischen Klasse der Darstellenden zu danken: einem Ensemble junger Sängerinnen und Sänger, denen diese komische Oper mit erotischem Touch und komplexem Tiefgang auf Leib und Stimme komponiert scheint. Zum Anbeißen ist Linus Mödl als charmanter Figaro, der das Publikum wie seine Susanna mit Ausstrahlung und Schmelz um den Finger wickelt. Jonas Müller gibt den ebenso blasierten wie testosterongesteuerten Grafen als letztlich doch lernfähigen Gockel.
Dass der Stoff eigentlich ein feministisches Schelmenstück ist, führen die Sängerinnen vor: Johanna Beier verbindet als Gräfin kühle Eleganz mit verletzlicher Erotik. Mit androgynem Sexappeal gestaltet Tabea Mitterbauer den Cherubino. Und dann ist da noch Elisabeth Freyhoff, die als Susanna verständlich macht, warum jeder diese Frau will: bezaubernd, witzig, stimmgewaltig – kann man von einer „Nozze“ mit ihr nur träumen.
Vorstellungen
bis 18. September, www.kammeroper-muenchen.com