„Wir entdecken unser Feuer wieder“

von Redaktion

Hansi Kürsch über den Neustart von Blind Guardian, beste Alben und Mittelerde

Mit dem Album „Somewhere Far Beyond“ gelangen Blind Guardian 1992 der Durchbruch. Bei der Jubiläumstour gastiert die Metal-Band aus Krefeld und Meerbusch am 8. September im Münchner Backstage (20 Uhr). Im Interview verrät Frontmann Hansi Kürsch, warum die Tour kein Business as usual wird, was sein Lieblingsalbum ist und warum Blind Guardian für 24 Stunden Battery hieß.

Ich habe gefühlt vor sieben Jahren Karten für das Blind-Guardian-Konzert in München gekauft, das wegen Corona immer wieder verschoben wurde und jetzt nachgeholt werden soll…

… das nennt man gelebte Vergangenheit.

Genau. Aber ich freue mich drauf. Wie gut tut es nun Ihnen, wieder auf Tour zu gehen?

Super gut. Auch wenn im Moment oben noch unten und unten noch oben ist. Da ist noch keine Gewohnheit drin. Wir haben nun mit den Festivals angefangen und spielen danach die für uns wesentlich angenehmeren Club-Shows. Darauf freuen wir uns tatsächlich mehr, weil der Teil kompakter ist und wir wieder mehr im Thema sind. Im Moment ist vieles noch improvisiert.

Inwiefern?

Man merkt es an allen Ecken und Enden, dass die vergangenen zwei Jahre den Menschen noch in den Knochen stecken. Die ganze Zeit hat man auf den Moment gewartet, dass es wieder losgeht. Und dann kam dieser Moment, und alles muss erst wieder neu erlernt werden. Alle entdecken gerade dieses Feuer wieder. Wenn man so lange nicht hat spielen dürfen, aber wollte, dann wird man auch demütiger, dass es Konzerte gibt, die Leute diese annehmen und Spaß haben. Für uns ist das fast wie ein neues Erlernen, es ist kein Business as usual.

Ihre Stimme klingt wieder normal. Sie hatten eine Stimmbandentzündung. Zu viel Rammstein unter der Dusche gesungen?

Ich habe einfach zu viele Interviews gegeben. (Lacht.) Aber tatsächlich bin ich noch auf der Suche nach dem Grund. Wir hatten vor vier Wochen einen anstrengenden Promotag. Am anderen Tag war die Stimme verschwunden. Wir sind trotzdem zum nächsten Festival aufgebrochen, eine Stunde vor der Show musste ich ins Krankenhaus. Dort hat man sich die Stimmbänder angesehen und eine Entzündung festgestellt. Und wenn die Stimme weg ist, braucht es in meinem Fall in der Regel vier bis sechs Wochen. Ich musste aber spielen. Und das habe ich gemacht. Wir hatten glücklicherweise dankbare Fans, die mich durch die Show getragen und durchgesungen haben. Mein eigener Gesang war keine Freude. Und es war keine Freude zu singen. Aber es geht bergauf, zur Tour bin ich wieder fit.

Das Konzert in München ist Teil der Tour „30 Jahre Somewhere Far Beyond“. Das Album erschien 1992 und gilt bei vielen Fans als der Durchbruch und Ihr bestes Album. Haben sie Recht?

Der Durchbruch war es. Bei dem Rest spielt sicher auch Verklärung eine Rolle. Es ist ein starkes Album, nix, wofür wir uns verstecken müssten. Aber aus Sicht des Künstlers ist es eines von vielen Kindern, die ich lieb habe. Ich würde aber nicht sagen, es ist mein begabtestes.

Was wäre das?

Immer das neueste, natürlich. Aber rückblickend mit etwas Nostalgie: „Nightfall in Middle Earth“. Das ist durchgängig sehr auf den Punkt, gerade in Bezug auf die Thematik.

Werden in München nur Lieder vom Jubiläums-Album zu hören sein?

Nein. Die aktuelle Festival-Playlist gibt schon einen Vorgeschmack. Die Klassiker müssen kommen, da tun wir uns keinen Gefallen, wenn wird die weglassen. Neue Songs wird es auch geben, das allerdings in homöopathischen Dosen. Die Jubiläumstour tragen wir ja schon seit zwei Jahren mit uns rum. Für „The God Machine“ werden wir 2023 touren.

Sie sind ein Fan von J. R. R. Tolkien und Mittelerde, viele Lieder sind davon inspiriert. Am 2. September läuft eine neue Serie aus dem „Herr der Ringe“-Universum. Die werden Sie nicht schauen können, weil Sie auf Tour sind…

… das stimmt, die kann ich nicht anschauen. Aber ich muss auch sagen, die Trailer lassen mich nicht gerade in Begeisterung schwelgen. Ich werde es mir sicher irgendwann mal anschauen, aber die Erwartungshaltung ist nicht so hoch.

Warum nicht?

Der Tolkien-Kanon ist schon sehr ausdefiniert. Und in der Serie werden die Grenzen schon sehr stark überwunden, in einer Art, die ich nicht für notwendig erachte. Die Interpretationsfreiheit geht mir doch ein bisschen zu weit. Ich bin ein großer Fan der Bücher. Aber es gibt auch andere Welten, die es wert sind, entdeckt und erkundet zu werden.

Sie haben 2018 einige Alben remastered. Honoriert die Metal-Welt Innovation und künstlerische Experimente?

Ja, ich finde schon. Der Metal-Fan verschließt sich nicht. In Bezug auf uns hat er das auch immer wieder bewiesen, da gibt es Sachen, die wir eingepflegt haben, etwa Chorus-Gitarren oder Einschläge aus dem Bereich New Metal. Die Leute haben das immer mitgetragen. Von unserer Seite und als Metal-Fan persönlich kann ich sagen, die Offenheit ist da. Jeden Trend muss man aber auch nicht mitgehen.

Die Band hat sich 1984 als Lucifer’s Heritage gegründet und dann 1987 in Blind Guardian umbenannt. Warum der Schritt von Satans Erbe zu dem blinden Wächter?

Es war tatsächlich so, dass die Plattenfirma gesagt hat, dass wir uns einen Namen geben sollen, der uns eher gerecht wird. Wir hätten das gar nicht als notwendig empfunden und auch nicht die Verbindung zum Black Metal gesehen. Aber es hat uns auch nicht wehgetan. Blind Guardian hat uns allen gefallen, der Name bringt außerdem Neutralität mit sich und einen Widerspruch, weil man sich außerhalb der Mythologie vielleicht wenig unter einem blinden Wächter vorstellen kann. Es passt zu uns und hat nicht geschadet. Aber wenn wir in den USA spielen, an der Westküste, kann es schon sein, dass der ein oder andere Amerikaner nicht sofort versteht, wie die Band heißt. Ich habe bisher noch nicht herausgefunden, warum.

Welche Namen standen noch zur Auswahl?

Es waren Namen dabei, die alle von Alben oder Songtiteln anderer Bands inspiriert waren. Der Gedanke zu Blind Guardian kam aufgrund des Albums „Awaken The Guardian“ von Fates Warning. Das gehörte zu unseren Lieblingsalben. Bei den anderen Namen war es ähnlich. Da war einmal Battery nach einem Song von Metallica. So hießen wir auch für, ich glaube, 24 Stunden. Eine andere Idee war Raging Waters, nach einem Song von Testament.

Die Band wird dann in zwei Jahren 40. Was haben Sie geplant, und muss ich mir wieder Jahre vorher Karten kaufen?

(Lacht.) Auf jeden Fall. Immer rechtzeitig. Aber wir haben tatsächlich nichts geplant, weil sich bei uns die Geburtstage und die damit verbundenen Jubiläen aneinanderreihen. Nächstes Jahr haben wir 25 Jahre Nightfall in Middle Earth. Und so geht es reihum weiter. Ich denke, wir werden erst eine Geburtstagstour machen, wenn sich die Benennung in Blind Guardian jährt oder die Veröffentlichung unseres Debütalbums „Battalions of Fear“.

Das wäre 2027 oder 2028.

Genau. Daher weiß ich nicht, ob Sie sich jetzt schon Karten kaufen sollten.

Das Gespräch führte Sascha Karowski.

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