Nun ist er also auch sichtbar geschafft – der Wechsel an der Komödie im Bayerischen Hof. René Heinersdorff, dort seit knapp einem Jahr Intendant, startete am Donnerstagabend mit der Boulevardkomödie „Komplexe Väter“ in die neue Saison, deren Spielplan der 58-Jährige erstmals federführend gestaltet hat. Entsprechend groß war das prominente Premierenvolk, unter das sich sogar Innegrit Volkhardt, Chefin des Hotels Bayerischer Hof, gemischt hatte.
Und Heinersdorff kleckert nicht, er klotzt: Der Düsseldorfer ist nicht nur Autor des Stücks, hat das Bühnenbild erdacht und zieht als Regisseur die Fäden, er schlüpft gleich selbst in seinen gelb-karierten Bühnenanzug und spielt als Therapeut und nicht mehr ganz taufrischer Liebhaber Björn eine zentrale Rolle. Aber klar: Die eigentliche Schau auf dieser Bühne sind die erfahrenen Fernseh-Recken Jochen Busse und Hugo Egon Balder.
Heinersdorff hat das Stück um Eitelkeiten, Vergänglichkeit, alte Männer und junge Frauen seinen langjährigen Freunden auf den Leib geschrieben – wohl auch deshalb wirken sie so authentisch. So glänzt Busse als alterssteifer, intellektueller und zugleich empfindlicher Hypochonder Anton, während Balder den deftig-ironischen, (nach-)lässigen Oldie Erik in vermeintlich jugendlichen Jeans, Rolli und Sakko mimt. Einst beste Buddys, haben sie sich heute nichts mehr zu sagen – und eigentlich doch so viel.
Das liegt natürlich an den Frauen. Und schon sind wir drin in dieser turbulenten Komödie. Es ist nämlich so: Die attraktive Ute (Maike Bollow) ist mit Anfang 50 in ihren besten Jahren. Sie ist verheiratet mit Mitsiebziger Anton, der nicht mehr weit vom Rollator entfernt scheint. Zusammen haben sie Nadine (Katarina Schmidt) großgezogen, die aber aus Utes kurzer Beziehung zu Erik stammt. Die mittlerweile Mittzwanzigerin hat also im Grunde zwei Väter: Erik, ihren Erzeuger, und Anton, ihren Stiefvater. Was eigentlich ganz cool sein könnte, wenn Erik damals dem Anton nicht die Ute ausgespannt hätte, bevor sie – nun schwanger – wieder zu Anton zurückkehrte.
Wie gesagt: Die Geschichte samt Figuren und amourösen Verwicklungen ist komplex. Und es wird noch verrückter. Tochter Nadine hat seit zwei Jahren einen Freund. Der soll nun endlich in die Familie eingeführt werden. Mutter Ute hat dafür unter Gebrauch von – sagen wir – kleinen Halbwahrheiten die leicht dysfunktionale Sippe zusammengetrommelt. Und nun kommt’s: Björn ist zwar charmant und gebildet, aber erstens noch verheiratet und mit seinen Ü50 halt auch nicht der Traumschwiegersohn. „Die hat sich ’nen Opa angelacht!“, konstatieren Erik und Anton, um sich für „unsere Tochter“ gegen den in ihren Augen viel zu alten Björn zu verbünden.
Es ist kein Zufall, dass der Stücktitel „Komplexe Väter“ an Vaterkomplex erinnert. Zwischen schlichten weißen Wänden, versetzt aufgestellt und auf massiven Elementen befestigt, agieren die Figuren. Es gibt lediglich eine Sitzbank in der Mitte – nichts soll von den Dialogen, den unterschiedlichen Konstellationen der Personen ablenken. Einzig die Behälter mit Utes selbst gebackenen Grissini (glutenfrei natürlich, Anton verträgt’s sonst ja nicht) und eine einsame rosa Rose setzen minimale Akzente.
Heinersdorff verlangt sich und seinen Darstellern einiges ab. Neben spritzigem Wort-Ping-Pong samt manchem Kalauer und Argumentationen, die in ihrer Logik zuweilen an den unsterblichen Loriot erinnern (wunderbar die Diskussion, ob Anton einen schwarzen Rolli, ein schwarzes oder kariertes Hemd anziehen soll), wird enorm viel und schnell geredet. Busse, Balder und Co. transportieren zusätzlich Befindlichkeiten über Körpersprache und Mimik. Gott allein weiß, wie Jochen Busse es schafft, punktgenau einen wutroten Kopf zu bekommen.
Bewundernswert ist die Leistung von Maike Bollow als Ute, die sich von den Stars nicht einschüchtern lässt und selbstbewusst auf Augenhöhe spielt. Langen herzlichen Applaus gibt es am Ende für dieses launige, flotte Stück und seine Darsteller, die von manchen Klischees und vor allem etlichen Wahrheiten erzählen.
Bis 29. Oktober,
Informationen und Karten im Internet unter komoedie-muenchen.de oder per Telefon
unter 089/29 16 16 33.