Der Bannwaldsee im Allgäu gehörte einer Autorin namens Ilse Schneider-Lengyel. Sie schrieb surrealistische Gedichte und fing Fische. Drei Tage lang ernährte sie damit 16 Dichter, die sich ab dem 6. September 1947 bei ihr eingenistet hatten: Mitarbeiter der Exilzeitschrift „Der Ruf“, dessen deutsches Nachfolgeblatt von den US-Besatzern verboten worden war.
Die Dichter, unter ihnen Alfred Andersch und Nicolaus Sombart, kamen ausgehungert am Bannwaldsee an. Sie wollten eine neue Zeitschrift gründen, aber die Lizenz der Amerikaner blieb aus. Also begannen sie, aus ihren Manuskripten zu lesen. „Aber keiner von uns ahnte, dass hier ein Ritual entstand, das uns noch zwei Jahrzehnte beschäftigen sollte“, erinnert sich Hans Werner Richter. Zweimal jährlich lud er fortan Autoren ein, die neben ihm auf dem sogenannten elektrischen Stuhl Platz nahmen, um sich von den anderen feiern oder fertigmachen zu lassen. „So entstand das, was man später die Gruppe 47 nannte“, resümiert er.
Schon 1948 stieß Günter Eich zu dem Kreis, 1951 seine spätere Frau Ilse Aichinger, die 1952 für ihre „Spiegelgeschichte“ den 1950 ausgeschriebenen Förderpreis erhielt. Heinrich Böll wurde damit 1951 für seine Satire „Die schwarzen Schafe“ ausgezeichnet, bevor er den Nobelpreis erhielt.
Nach der „Trümmer“-Literatur der Anfangsphase wandte sich die Gruppe dem magischen Realismus und Surrealismus zu. Ende der Fünfzigerjahre ging sie zu Gesellschaftskritik und Groteske über. Der Sprach- folgte die Gesellschaftskritik mit einer Resolution gegen den Vietnamkrieg. Martin Walser, seit 1953 mit dabei, sprach nun von einer „herrschsüchtigen Clique“. Thomas Mann hatte sie schon immer für eine „pöbelhafte Rasselbande“ gehalten. Im oberfränkischen Waischenfeld traf man sich 1967 zum letzten Mal. Aber erst zehn Jahre später schloss Richter die Gruppe 47 offiziell: „Das war in der Kleber-Post in Saulgau. Wolfdietrich Schnurre las noch einmal seine Geschichte ,Die Beerdigung Gottes‘, mit der 30 Jahre zuvor am Bannwaldsee alles begonnen hatte.“ cs