Das K-Wort, das viele gern umschiffen, aus Scham, Angst oder anderen nachvollziehbaren Gründen, das sprach Lars Vogt sehr oft aus. Ja, er habe Krebs, verbreitete er im März 2021 über die Sozialen Netzwerke. Und nun gehe es eben an die Chemo, vor allem aber: Es gehe weiter für ihn. Ein verblüffender bis bestürzender Optimismus sprach fortan aus vielen seiner Einlassungen und Interviews.
Was wiederum zu diesem Künstler passte. Lars Vogt, Pianist und später auch Dirigent, war entwaffnend redlich, nahbar und offen. Und so spielte er auch. Ohne Egotrip, ohne aufgepfropftes Konzept, immer neugierig, hineinhorchend in Klänge und Strukturen. Und was Vogt dabei entdeckte, offerierte er mit größter Natürlichkeit. Auf bestmögliche Weise verschwand Vogt hinter den Werken. Ein feiner Purist, der nun seinen letzten Kampf verloren hat: Mit 51 Jahren ist er am Montag an Speiseröhren-Krebs gestorben.
Seine Karriere begann 1990, da belegte Vogt den zweiten Platz beim renommierten Klavierwettbewerb in Leeds. Das Repertoire aus Wiener Klassik und Romantik interessierte ihn naturgemäß, doch auf eine Epoche ließ sich Vogt eigentlich nicht festlegen. Und auch nicht aufs Konzertieren: 1998 gründete Vogt, der aus Düren in Nordrhein-Westfalen stammt, sein eigenes Kammermusikfest mit dem beziehungreichen Namen „Spannungen“. Prominente Kolleginnen und Kollegen lockte er damit nach Heimbach in der Eifel. Zudem geht geht das Projekt „Rhapsody in School“ auf ihn zurück. Musikerinnen und Musiker besuchen hier Schulkinder – und ergänzen das, was der Lehrplan ihnen vorenthält. Seit 2013 war Lars Vogt Professor in Hannover. Und dann wagte er sich sogar selbst ans Pult. Seit Juli 2020 war er Chefdirigent des Orchestre Chambre de Paris.
Vogt war Solist. Aber wie kaum ein anderer in dieser oft seltsamen Klassikszene begriff er Musikmachen als Miteinander – und als soziale, gesellschaftspolitische Aufgabe. Er lebte das vor, ohne sich in Posen zu werfen. Gerade deshalb gehören etwa die Brahms- und Schumann-Deutungen zu den denkwürdigsten Interpretationen.
Noch wahrhaftiger, entwaffnender wurde Vogt gerade in den vergangenen beiden Jahren. Im Interview mit dem Online-Magazin „VAN“, das man dringend nachlesen sollte, sagte er: „Ich bin jetzt 50 und was ich in meinem Leben schon alles erleben durfte, ist der Hammer. Selbst wenn es jetzt vorbei wäre – ich weiß nicht, ob es einen Schöpfer gibt, aber wenn es ihn gäbe, könnte ich nur tief den Hut ziehen und Danke sagen.“