Ein widersprüchlicher Abend

von Redaktion

Arcade Fire spielen nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Sänger Win Butler in München

VON JÖRG HEINRICH

Ach, war das schön. Ach, war das traurig. Die viel geliebte Indiepop-Band Arcade Fire aus Kanada, die seit zwei Jahrzehnten zu den gefühlt „Guten“ im Musikgeschäft zählt, gab in der Münchner Olympiahalle ein ebenso triumphales wie widersprüchliches Konzert, das von den jüngsten Vorwürfen gegen Sänger Win Butler überschattet wurde. Dem 42-Jährigen werden von vier gut halb so alten weiblichen Fans sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Das Musikmagazin „Pitchfork“ hat dazu Ende August unappetitliche Details veröffentlicht. Die Tour geht trotzdem weiter. Arcade Fire lieferten in der gut halb vollen Olympiahalle mitreißende Musik. Aber das heimelige Gefühl, Fan dieser Band zu sein, ist erst einmal dahin.

In München war #MeToo live zu erleben. Die Fehltritte von Rockstars, die gegenüber Fans ihren Heldenstatus ausnutzen, werden heute zu Recht nicht mehr geduldet. Win Butler hat zuletzt um Entschuldigung gebeten für „die Fehler, die ich gemacht habe“. Die Band aus Montreal, die immer so sympathisch daherkam wie eine knallbunte Zirkus-Compagnie, steckt trotzdem in ihrer größten Krise. Und beim „WE“, beim „WIR“, das als Titel des jüngsten Albums übergroß auf einem der Verstärker prangt, macht es Butler den Zuhörern aktuell extrem schwer.

Sängerin Leslie Feist ist während der Tour aus Protest als Support-Act ausgestiegen. Und dass Win Butlers Ehefrau, die wunderbar quirlige Régine Chassagne, optisch wie musikalisch den Glanzpunkt eines jeden Arcade-Fire-Konzerts bildet, macht alles nur noch trauriger. Sie hält zu ihm, wirbelt in München am Akkordeon oder am Schlagzeug durch die Show. Und wer sie bestaunt, mag sich dann doch freuen, was für eine fantastische Band hier zu erleben ist.

Arcade Fire liefern mit ihren wuchtigen, kraftvollen Hits wie „Black Wave“ oder „The Suburbs“, die zwischen David Bowie und den alten, den guten Coldplay changieren, absolute Glücklichmach-Musik. Und bei „Everything now“, einer Art „Dancing Queen“ des Indiepop, tanzt die ganze Halle mit. „It’s never over“, singt Win Butler irgendwann, es ist nie vorbei – was hoffentlich auch für die Musik von Arcade Fire gilt.

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