The White Stripes haben’s getan, Post Malone und Bad Religion auch, genauso wie The Beastie Boys, Beck und sogar Charlie Brown: Sie haben 3’’-Singles veröffentlicht. Die Kleinstschallplatte ist ein Nischenmedium, das nicht zuletzt durch den „Record Store Day“ in Plattensammlerkreisen viele neue Fans gefunden hat und auch die Streaming-Generation nicht kaltlässt. Zu nett sind die kleinen Scheiben, zu sehr triggern sie die kindlichen Sammler-Reflexe und zu groß ist der Wow-Effekt. Wie eine Spurensuche im Internet ergibt, haben die kleinen Platten auch eine ziemlich großartige Geschichte. Kein abseitiges Hobby bleibt lang ohne hingebungsvoll gepflegte Webseiten – und entweder schreibt die eine von der anderen ab, oder die Saga der „3-inch records“ hat sich tatsächlich so zugetragen. Dann aber darf man sich wundern, wieso sie nicht bekannter ist. Schließlich spielt Jack White darin eine Hauptrolle.
Kurz zusammengefasst, entwickelte ein japanischer Spielzeughersteller das Format in den 2000ern und, wenig verwunderlich, den passenden Mini-Plattenspieler dazu. Vermarktet als „8ban“-Player (ban ist das Äquivalent zu Zentimeter) und zu haben für ungefähr 30 Euro, spielte er einseitig bespielte Vinyl-Schallplatten, die auf eine ABS-Kunststoffscheibe aus Acrylnitril-Butadien-Styrol aufgezogen werden. Verkauft wurden sie für circa drei Euro pro Stück. Der Clou: Eine Auflage umfasste vier Songs eines Künstlers, die mit neutralem Cover verkauft wurden. Ähnlich dem Panini-Prinzip wusste man also nicht, welchen Song man bekommen würde, und musste womöglich tauschen.
Das Konzept stieß bei seiner Zielgruppe auf wenig Resonanz, lediglich bei Technik-Nerds oder Kuriositäten-Sammlern kamen die kleinen Schallplatten gut an. Der Rest der Vinyl-Gemeinschaft hielt sich ans etablierte 7-Zoll-Single-, 10-Zoll-EP- und 12-Zoll-Album-Format. Bis Jack White nach Japan kam: Dort auf Tour mit den White Stripes, kam ihm ein solcher Mini-Plattenspieler in die Finger. Vor allem die Farbgebung in Rot und Weiß gefiel ihm; er hatte bekanntlich das komplette Instrumentarium, Kleidung und Artwork seines Duos in diesen Farben uniformiert. Er fasste den Entschluss, exklusiv auf Tour erhältliche Sets aus sechs White-Stripes-3’’-Singles plus Plattenspieler anzubieten. Kurz entschlossen orderte er einen großen Posten Mini-Plattenspieler und gab seiner Plattenfirma „Third Man Records“ den Auftrag, entsprechende Sets zu produzieren.
Da Lagerplatz in Japan jedoch knapp ist und die kleinen Geräte zu lange nicht angefordert wurden, wurden sie vernichtet – der Deal platzte. Jack White gelang es, 400 aufzutreiben und legte sie an den Verkaufs-Stand. Kein Mensch interessierte sich dafür. Erst, als er die Geschichte dahinter auf seinen Social-Media-Kanälen teilte, gingen die Sets weg wie warme Semmeln. Logisch, dass sie heute hoch gehandelte Sammlerstücke sind. Das wiederum bekamen die Organisatoren des „Record Store Day“, des internationalen Tags unabhängiger Plattenläden, mit. Sie locken bekanntlich jedes Jahr Kunden mit exklusiven Vinyl-Sonderauflagen in inhabergeführte Plattenläden – ein jährliches Hochfest für Vinylsammler. In Zusammenarbeit mit „Crosley“, einem Lifestyle-Audiogeräte-Hersteller aus Kentucky, entwickelte man einen neuen Mini-Plattenspieler im klassischen Technics-1210-Look und stellte ihn 2019 mit der Bezeichnung „RSD3“ zum Record Store Day in die Läden. Passende Singles gab es auch: von den Beastie Boys beispielsweise und „Blind Boxes“ von Third Man Records oder Sun Records.
Es gab Sonderauflagen des Geräts im Design von Künstlern, etwa den Foo Fighters oder Norah Jones, oder in durchsichtiger Version mit Singles von Post Malone. Der Preis: circa 80 Euro fürs Gerät, circa 10 pro Single. So wächst seither jährlich das Angebot der kleinen, oft mit liebevoll gestalteter Verpackung versehenen 3’’-Platten, sehr zur Freude der Fans.
Die Idee eines batteriebetriebenen Miniatur-Plattenspielers mit eingebautem Lautsprecher fasziniert viele, die sich kindliche Begeisterungsfähigkeit ins Erwachsenenleben retten konnten. In gewisser Weise ist diese Art des Musikhörens der Gegenentwurf zum Streaming: Es ist teuer, aufwendiger und hat vergleichsweise schlechte Qualität – birgt aber hundertmal mehr Spaß, als nur auf „Play“ am Handy zu drücken. Tatsächlich überraschend ist, dass man den kleinen Plattendreher via Kopfhörerausgang auch an eine Stereoanlage anschließen kann – wo er klanglich schlechte Figur macht. Ein Nischenprodukt, vielleicht. Aber eins mit viel Charme.