Mit Autorität und Würde

von Redaktion

NACHRUF Saxofonist Pharoah Sanders, den John Coltrane entdeckte, ist gestorben

VON REINHOLD UNGER

Es wäre sicher nicht ganz falsch zu behaupten, dass ein gewisser Pharoah Sanders einen so fulminanten Start in die Jazzszene hatte, dass er sich davon nie wieder ganz erholt hat. 1965 holte John Coltrane den damals 24-Jährigen in seine Band, um mit dem jungen Feuerspeier am Tenorsaxofon die Strahl- und Sprengkraft der eigenen Musik weiter zu steigern. Und tatsächlich fiel vom Glanz John Coltranes, damals auf dem Höhepunkt seines Ruhms und Schöpfungsdrangs, schnell auch viel auf den 1940 in Little Rock, Arkansas, geborenen Pharoah Sanders ab. Er wurde als Messias in spe gefeiert, als der Mann, der die von John Coltrane entzündete Fackel des New Jazz weitertragen sollte. Doch als sein Mentor bereits 1967 starb, war Sanders mit der auf ihn projizierten Rolle des charismatischen Heilsbringers überfordert.

Und wie hätte es auch anders sein können: Alle Grenzen der Tonalität, der Gesetze von Harmonik und Metrik waren ja bereits überschritten worden, es gab kaum noch Tabus, die (erstmals) hätten gebrochen werden können. So konsolidierte Sanders allmählich seinen Stil, aus dem vermeintlichen Innovator wurde ein souveräner Verwalter der modernen Jazztradition. Die Leidenschaft und Intensität seines Spiels lenkte er nun zunehmend in Mainstream-Bahnen, ohne dass sie dort verloren gingen.

Sanders’ Saxofonton reichte von einem heiseren Hauchen, das ihn zum großen Balladeninterpreten prädestinierte, bis zu einer ausgefeilten Überblastechnik, die ihn immer wieder in die Nähe einer Avantgarde rückte, der er sich gar nicht zugehörig fühlte. Vor allem hatte seine Musik oft etwas Hymnisches, Ekstatisches, war von tiefer Spiritualität geprägt – eine Parallele zum späten Coltrane, aus dessen übergroßem Schatten er wohl auch deshalb nur schwer treten konnte. Doch weil, wie der Autor dieser Zeilen 1987 über ein Konzert des Pharoah Sanders Quartetts im Bürgerhaus Unterschleißheim schrieb, „Sanders im Gegensatz zu zahlreichen Coltrane-Epigonen in Phrasierung und Tonbildung nicht mit dem großen Vorbild zu verwechseln ist“, gewinne seine Expressivität eigene Autorität und Würde. Immer wieder arbeitete Sanders auch mit Künstlern außerhalb des Jazz zusammen, etwa dem Produzenten Bill Laswell oder marokkanischen Gnawa-Musikern. Sein im vergangenen Jahr erschienenes Album „Promises“, eine Kooperation mit dem Electro-DJ Floating Points und dem London Symphony Orchestra, sorgte weltweit für Aufsehen.

Wie das Label Luaka Bop, auf dem die nunmehr zum Vermächtnis gewordene Platte erschienen ist, mitteilte, ist Pharoah Sanders am Samstag mit 81 Jahren im Kreise seiner Familie in Los Angeles gestorben.

Sanders wurde als Fackelträger des New Jazz gefeiert

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