Ein Prosit auf die alten Meister

von Redaktion

Hendrick ter Brugghens Gemälde „Der Zecher“ erstrahlt in neuem Glanz

VON KATJA KRAFT

Er hängt in bester Gesellschaft. „Der Zecher“ von Hendrick ter Brugghen (1588-1629). Im Saal IX der Alten Pinakothek, ein paar Meter entfernt von Bartolomé Esteban Murillos „Trauben- und Melonenessern“ (um 1650) und der bäuerlichen Szene von Jacob Jordaens (1593-1678), in der ein üppig gefüllter Obstkorb gereicht wird. Schaut alles auf den ersten Blick köstlich aus. Nach Sinnesfreuden ohne Reue. Wer aber genau hinschaut, sieht, dass es ganz so köstlich nicht gewesen ist, was die alten Meister da auf Leinwand gebannt haben. Eben zu diesem genauen Hinschauen möchte das Team der Alten Pinakothek seine Besucherinnen und Besucher anregen. Und greift deshalb in dem relativ neuen Projekt „All Eyes on“ alle paar Monate Werke heraus, die durch Schautafeln ergänzt in den Fokus gerückt werden.

Zu Ostern war das wie berichtet Raffaellino del Garbos restaurierte „Beweinung Christi“. Passend zur Wiesn-Zeit ist’s jetzt: „Der Zecher“. Auch dieses Werk frisch von den Restauratorinnen und Restauratoren der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in alten Glanz versetzt. Das aus der Kurfürstlichen Galerie in München stammende Leinwandbild gehörte in der Vergangenheit zur ständigen Präsentation des Bestands niederländischer Malerei in der Alten Pinakothek, konnte jedoch wegen seines desolaten Zustands nicht mehr ausgestellt werden. 70 Jahre war die jüngste Restaurierung her, das Material entsprechend gealtert, die ursprüngliche Farbkraft verschattet.

Dank der Förderung der Ernst von Siemens Kunststiftung glänzen die Augen des Zechers jetzt wieder glasig; leuchtet das Rot der Trinkernase mahnend im Bildzentrum. Denn das hier ist alles andere als eine Feier des Rauschs. Hendrick ter Brugghen zeigt eine tragische Gestalt: vom Saufen aufgedunsen, feist, durch den Alkohol schon so von Sinnen, dass er das Bier aus dem Steinkrug verschüttet. Eine unverhohlene Zurschaustellung des enthemmten Trinkers – und Warnung an die Betrachter, wie unbarmherzig einen der edle Geist bei übermäßigem Verzehr zu Boden reißt.

Das wirkt deshalb auch heute noch so eindrucksvoll, weil Hendrick ter Brugghen das Spiel von Licht und Schatten meisterhaft beherrschte. Nicht ohne Grund zählt er zu den bedeutendsten sogenannten Utrechter Caravaggisten; einer Gruppe holländischer Maler, die in Rom im frühen 17. Jahrhundert einen Stil entwickelten, der von den dramatischen Bildern des Italieners Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio (1571-1610), inspiriert war. „Der Zecher“ entstand 1627, ter Brugghen war auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Man sieht sie schon vor sich, die internationalen Touristen, die vor der Wiesn anstandshalber auch ein bisschen Kunst anschauen wollen. Und dann im Saal IX stehen, all Eyes on „Der Zecher“. Bei richtig guter Kunst fühlt man sich ja immer auch ein bisschen gespiegelt, ertappt. Ein Prosit auf die alten Meister.

„Der Zecher“

hängt in Saal IX der Alten Pinakothek; dienstags und mittwochs 10 bis 20.30 Uhr, donnerstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr.

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