Gemeinsam mit der neuen Intendantin Barbara Mundel kam Katharina Bach nach München. Im Herbst 2020 war das. Groß waren Hoffnungen und Pläne – und dann machte ein zweiter Lockdown vieles davon erst einmal zunichte. Die 37-Jährige, zuvor acht Jahre am Schauspiel Frankfurt beschäftigt, fiel trotzdem sofort auf. Von der ersten Live-Stream-Premiere „Gespenster – Erika, Klaus und der Zauberer“ an konnte man die Augen nicht von dieser vor Intensität förmlich vibrierenden Frau im Glaskasten lösen. Es folgten „Die Politiker“, „Effingers“, „Heldenplatz“ oder die „Bayerischen Suffragetten“, „Horror und andere Sachen“ im Werkraum sowie der Nick-Cave-Liederabend mit ihrer Band Bitchboy: Wenn Katharina Bach die Bühne betritt, muss man einfach hinsehen. Von morgen an ist sie als Titelheldin in „Nora & Die Freiheit einer Frau“ zu erleben.
Der Abend wird als „Double Feature“ angekündigt. Es gibt eine Variation von Ibsens „Nora“ sowie „Die Freiheit einer Frau“, einen für die Bühne bearbeiteten Roman von Édouard Louis, zu sehen. Sind die Texte miteinander verschränkt?
Nein, es sind praktisch zwei Abende nacheinander. Sieht man sich beide an, können aber spannende inhaltliche Verknüpfungen entstehen. Denn die fiktive Geschichte, die vor 140 Jahren geschrieben wurde, offenbart überraschende Berührungspunkte mit einem Frauenleben, das vor 30 bis 40 Jahren stattfand und nun von einem sehr jungen Autor beschrieben wurde.
Was passiert auf der Bühne?
Das Bühnenbild spielt bei uns eine große Rolle. Dadurch werden die patriarchalen Strukturen schnell klar. Ein Unterdrückungssystem war und ist immer das Haus. Und das steht bei uns auf der Bühne. Frauen wurden vom Mann domestiziert, wurden bewusst zu Hause gehalten und sollten nicht alleine in der Öffentlichkeit auftreten.
Regisseurin Felicitas Brucker inszeniert also historisch?
Wir siedeln unsere Inszenierung nicht klar im 19. Jahrhundert an. Vielmehr haben wir uns gefragt, welche Aspekte uns an Ibsens Stück heute noch interessieren. Das waren eindeutig die Beziehungen. Deshalb haben wir zusätzlich drei junge Schriftstellerinnen eingeladen, mit ihrem Blick nochmals ganz neu auf den Text zu sehen.
Das Ibsensche Frauenbild kommt diesmal also ganz emanzipiert rüber?
Viel von diesem vermeintlich alten Kram steckt immer noch in heutigen Beziehungen drin. Es ist ja ein Trugschluss, wenn wir diese patriarchalen Strukturen überwunden glauben.
Spätestens nach der Geburt des ersten Kindes werden die Rollen neu verteilt, egal wie gleichberechtigt ein Paar vorher lebte.
Meistens ja. Es hat sich einiges getan, aber wir sehen auch, wie weit der Weg noch ist. Und angesichts der aktuellen Wahl in Italien muss man auch erkennen, wie fragil diese Errungenschaften sind. Für die weiße, erfolgreiche Frau funktioniert der Feminismus vielleicht. Aber wie sieht es für alle marginalisierten Gruppen aus? Können Paare überhaupt gleichberechtigt sein, wenn der Kapitalismus die ganze Zeit auf die Beziehung drückt?
Sie wollten unbedingt unter einer weiblichen Leitung arbeiten. Was ist der Unterschied im täglichen Betrieb?
Pauschal lässt sich das gar nicht so sagen. Aber ich muss hier in einem paritätischen Ensemble um manche Dinge nicht kämpfen, anderes nicht einmal mehr ansprechen. In einer wie früher auch am Theater männlich dominierten Gesellschaft ist es für Frauen viel schwieriger, sich zu entfalten. Egal ob als Regisseurin, die nicht an die große Bühne gelassen wurde, oder als Schauspielerin in einem weitgehend männlich bestimmten Stückekanon. Jetzt klingelt’s gerade bei allen, und man ändert die Strukturen. Aber noch haben wir uns nicht völlig freigeschaufelt.
Das Gespräch führte Ulrike Frick.
Premiere
ist am morgigen Freitag um 19 Uhr in den Münchner Kammerspielen; Karten unter 089/ 23 39 66 00.