Gesammelte Werte

von Redaktion

AUSSTELLUNG Stephanie und Christian Utz präsentieren im MUCA ihre Sammlung aus 25 Jahren

VON KATJA KRAFT

Jetzt wäre der Moment für Genugtuung. Nach dem Motto: Wir haben es ihnen gezeigt; all den Leuten, die uns vor 25 Jahren schief angeschaut haben, als wir begannen, Street und Urban Art zu kaufen. Doch Häme liegt Stephanie und Christian Utz fern. Diesem ursympathischen Paar, das seit Jahrzehnten gemeinsam durch die Welt reist – nicht den schönsten Stränden, immer der Kunst hinterher. „Die Frage war oft: Machen wir klassisch Urlaub oder kaufen wir von dem Geld lieber einen Banksy?“, erzählt Christian Utz schmunzelnd. Und wenn man die neue Schau ihres Museum of Urban and Contemporary Art (MUCA) erlebt, ist man sehr froh, dass sie offenkundig häufiger Street Art statt Städtetrip wählten. Denn auf diese Weise ist über die Jahre eine hochkarätige, rund 120 Werke umfassende Sammlung entstanden. Seit 2016 kann man Arbeiten daraus in wechselnden Ausstellungen auf rund 2000 Quadratmetern erleben, im ersten Museum of Urban Art in Deutschland.

Weil es im März 2023 genau 25 Jahre her ist, dass Christian Utz erstmals ein Objekt kaufte, wollen sie die Schau für einen Blick zurück nutzen. Der gerät zum faszinierenden Streifzug durch die jüngere Kunstgeschichte. Was 1998 mit dem Erwerb von Burton Morris’ Popcorn-Tüte „Pop!“ begann, führte über die Jahre weiter zu künstlerisch immer herausragenderen Werken. Durch das räumliche Zusammenfügen von Arbeiten, deren Erschaffer man auf Anhieb nicht zusammen denken würde – Verpackungskünstler Christo und Street Artist J.R. etwa –, versteht man plötzlich, wie alles miteinander verwoben ist. Erkennt Bezüge, realisiert, wie sie sich gegenseitig befruchtet haben. Und wie die Künstlerinnen und Künstler ihren eigenen Stil auch durch diese Auseinandersetzung mit anderen verfeinerten.

Denn das ist das Glück an einer langjährigen Sammlerschaft: Die Utz’schen Bestände erstrecken sich über verschiedene Schaffensphasen etwa eines Conor Harrington, an denen man heute ablesen kann, wie der Ire vom mittellosen Graffiti-Sprayer zum erfolgreichen Maler wurde. Dass seine Bilder einmal im sechsstelligen Bereich gehandelt werden würden, hatten Stephanie und Christian Utz freilich nicht ahnen können. Am Anfang stand die Leidenschaft, nicht das Investitions-Kalkül. „Es ist schwierig zu sagen, wann unser Sammeln überschwappte zu der Idee: Das könnte zu etwas Größerem führen. Ich behaupte, dass wir die ersten 60 Prozent unserer Arbeiten rein nach persönlichem Geschmack gekauft haben. Und das war gegen den Strom“, betont Stephanie Utz. Damals konnte niemand wissen, wohin die zeitgenössische Reise geht.

Christian Utz, begeisterter Comic-Fan, fühlte sich einfach angesprochen von Morris’ Pop-Art-Werk. Und fand darüber den Weg in die Kunstwelt. Er ist das beste Beispiel dafür, dass man Schluss machen muss mit dem Schubladen-Denken. Auch heute klingen Street und Urban Art für engstirnige Geister noch nach Subkultur und Underground – in jedem Fall nicht nach hoher Kunst, die in die heiligen Hallen eines Museums gehört. Durch Stars wie Banksy änderte sich das. Von dem britischen Street-Art-Künstler hat das Ehepaar Utz die ganz großen Arbeiten in der Sammlung. In der Jubiläumsschau sind etwa das „Girl with Balloon“, der „Blumenwerfer“ und sogar die „Vandalised Phone Box“ zu sehen, die der Brite 2005 im Londoner Stadtteil Soho auf die Straße gestellt hat. Es gibt ja viele kommerzielle Banksy-Ausstellungen, in denen versucht wird, die Menschen mit billigen Imitaten anzulocken. Wer aber das Original betrachtet, der erkennt den qualitativen Unterschied. Und ist eingenommen von der Kraft, die darin liegt.

„Als Münchner Kindl fanden wir die Stadt immer ein bisschen langweilig“, erzählt Christian Utz. Ihr Ziel war es, mit dem MUCA ein Stück Soho nach München zu holen. Das ist geglückt. In den 25 Jahren sind die beiden Sammler, wie ihre Künstler, erwachsener geworden. Wollten sie früher Vorreiter in der Förderung der Street und Urban Art sein, sehen sie sich heute auch als Bewahrer. „Die Verantwortung ist heute eine ganz andere. Wenn ich mir überlege, dass die ersten Werke bei uns ja einfach im Wohnzimmer hingen“, meint Stephanie Utz und lacht. „Das darf man gar nicht laut sagen.“ Heute weiß die Welt um den hohen Wert, der in den Werken steckt. Dazu haben die MUCA-Chefs einen großen Teil beigetragen. Inzwischen bekommen sie von internationalen Häusern Anfragen für Leihgaben. Wieder ein Grund zur Genugtuung. Doch in ihrem Lächeln liegt einzig: große, strahlende Freude.

Bis 2. April 2023

im MUCA, Hotterstraße 12; Mi.-So. 10-18, Do. bis 20 Uhr.

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