Anne-Sophie Mutter ist nicht nur eine weltweit gefeierte Solistin, sie widmet sich auch immer wieder mit Enthusiasmus der Kammermusik. Wenn sie sich für die Königsdisziplin, das Streichquartett, entscheidet, dann kann sie sich auf wohlvertraute, von ihr seit Jahren geförderte junge Kolleginnen und Kollegen verlassen. Beim Konzert am Dienstag in der dicht besetzten Isarphilharmonie sind das Geigerin Ye-Eun Choi, Bratschist Vladimir Babeshko und Cellist Daniel Müller-Schott.
Alle längst in beachtlichen Solo-Karrieren unterwegs, gehen sie gern auf die Impulse ihrer Mentorin ein, die als Primaria Haydns Quartett Es-Dur op. 20 Nr. 1 sehr leicht und spielerisch eröffnet. Zuweilen gibt es ein Geplänkel mit dem Cello, das hell tönend und sehr flexibel auftritt. Im Trio des Menuetts werden seltsame Fäden gesponnen, ehe alles in mehreren Anläufen zurückfindet. Während sich im dritten Satz die Stimmen in langen Phrasen verschlingen, zuweilen verschattet wirken und das Leichte viel Tiefe verrät, dürfen sich die vier im wilden Finale gegenseitig anstacheln.
Stärker geforderte Mittelstimmen und eine aufkeimende Dramatik kennzeichnen Beethovens Quartett G-Dur op. 18 Nr. 2. Im Adagio singt sich Mutters Violine in lichte Höhen, hetzen die vier in ein kurzes Allegro, bevor sie den Satz fast schwermütig und sehr intensiv beenden. In den rhythmischen Kapriolen des Scherzos treiben sie ihre Späße und steigern sich ins finale Presto. Nach der Pause greift Anne-Sophie Mutter zum Mikrofon und bittet Jörg Widmann um ein paar Worte zu seinem sechsten Streichquartett, das er „Studie über Beethoven“ nennt. Natürlich bekennt der Komponist seine Scheu vor dem Genre, das Beethoven zu unerreichbaren Höhen geführt hat. Dank Mutters Aufforderung machte sich Widmann 15 Jahre nach seinem fünften Quartett noch einmal an die Arbeit und suchte in weiteren fünf Werken die Auseinandersetzung mit Beethoven.
Mit ein paar Beispielen schärfen die vier Interpreten die Ohren der Zuhörer, die sich danach ins halbstündige, komplexe Geschehen hineinziehen lassen. Immer wieder klingt es da nach Beethoven. Doch dahinter steckt ein echter Widmann, der sich mit Dissonanzen, Glissandi oder wilden Pizzicati und Extremhöhen der Violine zu erkennen gibt und in seiner dichten Satzstruktur gekonnt auf Beethovens Spuren wandelt. GABRIELE LUSTER