Natürlich hat der Grüffelo seinen eigenen Raum. Im Turmzimmer der Kinder- und Jugendbibliothek auf Schloss Blutenburg steht er, ganz Kinderschreck und Pappkarton, mit seinen Hörnern, Klauen und glühenden Augen, und grinst verschmitzt. Klar: Er ist der Star dieser Ausstellung zum Werk Axel Schefflers, dieses so fleißigen wie genialen Künstlers, der sich mit dem Fantasiemonster einen festen Platz in der internationalen Kinderliteratur erobert hat.
Und doch, so sagt die Kuratorin der Schau, Bibliotheks-direktorin Christiane Raabe, gibt es in Schefflers Werk unendlich viel mehr zu entdecken als den berühmten Grüffelo. Sie muss es wissen: Scheffler öffnete für sie sein Atelier in Großbritannien. Raabe durfte sich sozusagen durch ein Archiv wühlen, das Jahrzehnte umspannt – und sie hob wahre Schätze, die nun bis zum 12. März in der Blutenburg zu sehen sind.
Da gibt es etwa die Skizzen zu dem allerersten Buch, das Scheffler für seine spätere langjährige Arbeitspartnerin, die kongeniale Schriftstellerin Julia Donaldson, illustrierte: „Mein Haus ist zu eng und zu klein.“ Die Skizzen zeigen, wie sich die Hauptfigur, Oma Agathe, im Entstehungsprozess des Buchs von einer giftigen, langnasigen Alten zur freundlichen, rundlichen Großmutter wandelte – offenbar auf Wunsch des Verlags.
Für Christiane Raabe ein Beispiel für Schefflers Kompromissfähigkeit: „Er möchte eigentlich nicht so lieblich“. Und betrachtet man die weiteren Ausstellungsstücke, muss man zustimmen. Scheffler zeichnet zwar mit großartigem Humor, witzig und hintersinnig, aber viele seiner Figuren, Mensch oder Tier, eint eine gewisse Melancholie, eine Art Verdruss: die Augen himmelwärts gerichtet, die Münder schmallippig, die Gesichter von einer herrlichen Bärbeißigkeit – könnte man ein leises Seufzen zeichnen, das wäre es.
Und auch beim Grüffelo, diesem von Kindern aus aller Welt so geliebten wie gefürchteten Bösewicht, machte Scheffler es sich nicht leicht. Um als Kinderbuch zu funktionieren, durfte das von Donaldson erdachte Monster nicht zu grässlich aussehen. Scheffler verarbeitete diesen Schaffensprozess in Zeichnungen für Freunde, die auf der Wand des Turmzimmers zu sehen sind: ein gezeichneter Zeichner, dem hier der Grüffelo Modell sitzt, der dort mit ihm ringt, der versucht, mit dem Monster im Nacken zu arbeiten, der dem haarigen Vieh schließlich frustriert einen Tritt verpasst. Herrlich, diese künstlerische Verzweiflung so illustriert zu sehen.
„Das war die Herausforderung“, sagt Raabe lächelnd: „den Grüffelo zu würdigen, aber auch die Vielseitigkeit Axel Schefflers als Künstler“. Das ist gelungen: Die Ausstellung zeigt Originale der Kinderbuchbestseller, aber auch unbekannte Illustrationen – für Zeitungen, Erwachsenenliteratur oder als Gemeinschaftswerk, etwa mit der Münchner Künstlerin Rotraut Susanne Berner. Wie dezidiert beide, Scheffler und Berner, in ein und demselben Bild ihren jeweiligen Stil erkennen lassen und wie herrlich beides miteinander harmoniert, das erstaunt und begeistert zugleich.
Nicht zuletzt vermittelt die Schau das Gefühl, den berühmten Illustrator ein wenig persönlich kennengelernt zu haben: als unverkrampften, bodenständigen Menschen, der handgefertigten Schmuck verschenkt, Briefe in aufwendig bemalten Kuverts verschickt und dem Selbstironie nicht fern ist. „He Duda“ etwa, sein erstes Bilderbuch über einen Hasen in einer Identitätskrise, habe ein gutes Thema für einen Illustrator zu Beginn seiner Karriere gehabt, sagt er selbst. Schon damals zeigte sich sein charakteristischer Stil mit den klaren Linien, der starken Farbigkeit und den manchmal beinahe unbeteiligt wirkenden Helden – ein Stil, der sein Werk bei aller Vielfalt bis heute unverwechselbar macht.
Bis 12. März 2023,
Schloss Blutenburg,
Mo. bis Do. 10 bis 16 Uhr, Fr. bis 14 Uhr, Sa. und So. 14 bis 17 Uhr; Telefon 089/891 21 10;