Recht nackig ist der Knochen, an dem der Hund auf dem Coverbild herumschnuppert. Recht nackig kommt auch die neue Platte von Dr. Will daher. Der „wilde Hund“ von der Isar hat sie ohne seine getreue Band The Wizards im Duo mit deren Gitarrist Sascha „Saschmo“ Bibergeil aufgenommen. Die beiden tun das mit dem Blues, was ein Hund mit einem Knochen macht: Sie nagen ihn ab bis aufs Mark und fördern Nahrhaftes zutage.
„To the Bone“ ist ziemlich genau das Gegenteil vom Vorgängeralbum „I want my Money back“, mit dem der als Will Hampel geborene Voodoo-Rocker aus München die Bluesfans der Republik verzückte. Aus Opulenz wurde Minimalismus, aus glitzerndem Swamp-Funk mit New-Orleans-Glamour existenzialistischer Blues mit Delta-Genen.
An den musikalisch fruchtbaren Mississippi-Bänken spielen Dr. Wills Songs weiterhin. Sie beschäftigen sich mehr denn je mit dem Leben im Zwielicht, in Kaschemmen und mit dem Dasein im Angesicht des Alltags. Mit den zwölf Songs schwitzen Dr. Will und Saschmo auch die harte Realität des Lockdowns aus. Dass es den Nummern an nichts fehlt, ist angesichts der kärglichen Instrumentierung erstaunlich: Percussion, Gesang und Gitarre bilden den Grund für potenzierte Möglichkeiten. Stomp-Blues mit verzerrter E-Gitarre und angerissenem Gesang folgt auf düstere Harmonien zur Akustikgitarre oder zum Chor geschichtete Vielstimmigkeit zur drahtigen Slide-Gitarre. Dr. Will glänzt stärker als zuvor auch als Arrangeur. Er macht aus recht wenig Material obskur-schöne Stücke, deren Schwung nicht einbricht. Das ist auch Saschmos Virtuosität zu verdanken, der seine Soli kunstvoll in Akkorde webt und über das Fehlen eines Harmonieinstruments hinwegtäuscht. Seine Kompositionen „Waves of Darkness“ und „Nothing comes to Pass“ werten das Album zusätzlich auf.
Außerdem gibt’s Gehaltvolles für Freunde charaktervoller Cover-Versionen: „Junker’s Blues“ (Champion Jack Dupree), „Wang Dang Doodle“ (Willie Dixon), „Rattlesnake Shake“ (Fleetwood Mac), „Indian Red“ (Traditional, bekannt geworden durch Dr. John) und „Hound Dog“ (Jerry Leiber/Mike Stoller, bekannt geworden durch Big Mama Thornton und Elvis).
Aus der Not eine Tugend zu machen, ist nicht nur das Thema vieler Stücke, sondern letztlich auch der Wurzelstock, aus dem das Album gewachsen ist. „Es hat seinen Ursprung in unseren Livestream-Konzerten während der Pandemie“, klärt Dr. Will auf. Saschmo habe angesichts haufenweise abgesagter Konzerte darauf gedrängt, sich auf diesem Weg den Fans zu nähern. „Ich war erst skeptisch: So ein Livestream sieht schlechter aus, klingt schlechter und ist technisch viel anspruchsvoller“, gesteht Dr. Will.
Sein musikalischer Partner habe sich in das Thema gefuchst und sei auf eine akzeptable Lösung gekommen. Zur Platte war es dann nur ein kleiner Schritt. Was man den Songs auch anhört: Sie sind gewachsen, ausgearbeitet und live-tauglich. „Wir hoffen, mit dieser Duo-Besetzung künftig auch den Einsatzbereich der Wizards zu erweitern und mit kleinerer Besetzung in kleinen Häusern spielen zu können.“
Flexibilität scheint dringend notwendig zu sein: „Das Problem ist, dass das Publikum nicht mehr kommt“, resümiert Dr. Will den ersten Konzertsommer. Als Problem hat er drei Punkte ausgemacht: „Erstens sind die Leute vorsichtig, zweitens haben sie weniger Geld und drittens haben sie sich daran gewöhnt, Kultur bequem zuhause zu erleben.“ Was den guten Doktor umso mehr wundert, sind die rappelvollen Großveranstaltungen von Helene Fischer bis zu den Stones: „Da hat keiner Angst und offenbar auch genug Geld.“
Dr. Will:
„To the Bone“ (Solid Pack Records).
Konzert: Dr. Will & Saschmo stellen ihr Album morgen, 20 Uhr, im Münchner Rattlesnake-Saloon, Schneeglöckchenstr. 89b, vor. Karten online unter rattlesnake-saloon.com.