Einleben in die vertraute Fremde

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG Maya Lasker-Wallfischs Buch„Ich schreib euch aus Berlin“

VON SABINE DULTZ

„Ich habe das Gefühl, mein gesamtes Leben am falschen Ort gelebt zu haben, dass ich am falschen Platz geboren wurde.“ Das bekennt Maya Lasker-Wallfisch in ihren autobiografischen Betrachtungen „Ich schreib euch aus Berlin“. Es ist die Fortsetzung ihres ersten Buchs „Briefe nach Breslau“, in dem die in London 1958 geborene und mehr als sechs Jahrzehnte in Großbritannien lebende Tochter der Cellistin und Holocaust-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch sich in fiktiven Briefen an die Großeltern mit Herkunft und Familie, der eigenen Jugend, ihrem Erwachsenenleben und dem Trauma der Juden-Ermordung durch die Nazis auseinandergesetzt hat.

Jetzt ist sie nach Berlin gezogen, hat die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und beschreibt ihr Sich-Einleben in die neue, ihr aber dennoch tief im Innern so vertraute Welt. Sie begibt sich auf die Spuren jüdischen Lebens und Gedenkens, schildert – und das gehört zum Besten dieses Buches – sehr emotional und doch zugleich sachlich Friedhöfe, Gleise des Abtransports, Synagogen. Sie erzählt von neuen Kontakten, erstaunlichen Begegnungen, etwa mit Sohn und Enkel des Auschwitz-Kommandanten Höss, von eigenen Zweifeln und dass sie sich wundert über eine gewisse Teilnahmslosigkeit von offizieller Seite anlässlich ihrer „Heimkehr“: „Keine Fanfaren, kein ,Mazel tov‘ von irgendjemandem, der die passenden Worte für diesen merkwürdigen Moment gefunden hätte.“ Und mittendrin macht sie auch immer wieder das ambivalente Verhältnis zu ihrer berühmten, hochbetagten Mutter zum Thema. In jeder Hinsicht ein gefühlsstarkes, tief bewegendes Buch.

Maya Lasker-Wallfisch:

„Ich schreib euch aus Berlin“. Insel Verlag, Frankfurt a.M., 168 Seiten; 24 Euro.

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