Un-Miss-verständlich

von Redaktion

Die Frauen räumen ab bei der Verleihung des Bayerischen Kabarettpreises

VON RUDOLF OGIERMANN

„Wir sind plötzlich überall.“ Carolin Kebekus schien selbst überrascht zu sein von der hohen Frauenquote beim Bayerischen Kabarettpreis – und überhaupt in der Szene. Tatsächlich ist die Kölnerin erst die zweite Hauptpreisträgerin in mehr als 20 Jahren, nach Luise Kinseher 2014. Die Feier der „Frauenpower“ bestimmte auch die Verleihung am Montagabend im Münchner Lustspielhaus.

Schauspielerin Jasmin Schwiers packte in ihre Laudatio auf Kebekus alles, was sie an Superlativen finden konnte – die 42-Jährige sei eine „Queen of Comedy“, die „in einer ganz eigenen Liga“ spiele und schon „Preise ohne Ende“ gewonnen habe. Sie sei „authentisch“, „fair“ und „loyal“, sie gebe „wichtige Impulse“, aktuell beispielsweise durch ihr Engagement für die Frauen im Iran, „und genau das brauchen wir“.

Die solchermaßen Geehrte dankte der Freundin augenzwinkernd („Man überschütte sie mit Rollen!“) und nicht ohne einen Blick zurück auf ihre frühen Jahre. Ausgerechnet hier, im Lustspielhaus, habe sie einst „den schlimmsten Verriss ever“ bekommen. Und nun also diesen Preis: „Hoffentlich hat sich der BR auf den Shitstorm vorbereitet.“ Eine kleine Spitze gegen die Journalisten war auch noch drin. Die fragten immer wieder gerne, wie es denn so sei, als Frau auf die Bühne zu gehen. Ihre Antwort – durchaus explizit.

Die Reflexionen über die „Angst der Männer vor der Urweiblichkeit“ (Kebekus) hatte Simon Pearce schon gleich am Anfang bei der Ehrung des diesjährigen „Senkrechtstarters“ ironisch vorweggenommen. Er sei froh, einen männlichen Kollegen auszuzeichnen, so Pearce, denn „auch Männer können komisch sein“. Nektarios Vlachopoulos, der schwäbische Hellene, sei eloquent und dabei smart, seine Entscheidung für die Bühne und gegen den Lehrerberuf sei „ein herber Verlust für die Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg“. Dass diese Entscheidung richtig war, bewies Vlachopoulos mit einer virtuosen Nummer übers Eierkochen mithilfe schnell erhitzter Internetforen.

Alle anderen Trophäen der von Martin Frank mit jugendlich-spitzbübischem Charme moderierten Veranstaltung wurden an Frauen ausgehändigt, zu denen auch Miss Allie alias Elisa Hantsch gehörte, die den Musikpreis erhielt. Laudator Bodo Wartke, selbst Musikkabarettist, lobte die eher zierliche Berlinerin als „ganz Große“, die „das Herz auf der Zunge“ trage. Das Wort „Miss“ müsse bei ihr neu arrangiert werden, in Wörtern wie „kompro-miss-los“ und „un-miss-verständlich“. Die 31-Jährige reagierte gerührt („Ich habe mein eigenes kleines Märchen geschrieben“), um dann mit fester Stimme eine Hommage an einen Schrebergärtner mit freiem Oberkörper („Du bist so wunderschön“) zum Besten zu geben – einen Song, für den sie schon des „Sexismus“ geziehen worden sei.

Hat sich also nichts verändert im Verhältnis der Geschlechter? Ja und nein. Ehrenpreisträgerin Sissi Perlinger, das „kabarettistische Gesamtkunstwerk“ (Martin Frank), bewies, dass sich mit diesem Thema auch schon vor vielen Jahren Staat machen ließ – und dass vieles, was seitdem gesagt wurde, nichts an Frische eingebüßt hat. Beflügelt durch Michael Altingers respektvoll-kesse Rede („Ein Leopard, der Sissi gegenübersteht, stellt sich sofort als Kleidungsstück zur Verfügung“), lieferte die „Tochter der Artemis und des Vishnu“ ein Potpourri zeitlos schöner Sprüche und zeigte an Figuren vom „Hund“ bis zum „fliegenden Teppich“, dass sie auch körperlich noch immer topfit ist. Frauenpower eben.

Eine Aufzeichnung

der Gala zeigt das BR Fernsehen morgen um 21 Uhr.

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