Nachts im Museum

von Redaktion

Nach vier Jahren ist John Crankos „Romeo und Julia“ zurück im Nationaltheater

VON MALVE GRADINGER

Adelige Selbstfeier in abgezirkelten Gesellschaftstänzen im Palast der Capulets, blutige Fechtszenen mit den Montagues und daneben hitzig-buntes Karnevalstreiben der Veroneser – John Crankos „Romeo und Julia“, nach vier Jahren zurück im ausverkauften (!) Münchner Nationaltheater, ist und bleibt eines der Meisterwerke im Weltrepertoire des Handlungsballetts. Leben, Tod und die Liebe, immer nah beieinander, das fasst uns an, bei Cranko ganz ohne Worte.

Man war ehrlich überrascht, wie unverbraucht dieser Cranko (1958 Mailänder Scala, 1962 Stuttgart, 1968 München) regelrecht über die Bühne flammte. Natürlich ist das Shakespeare-Drama eine exzellente Vorlage. Aber Cranko wusste eben auch, das 16. Jahrhundert in unsere Zeit zu holen. Die zweite Pause und die „Lilienmädchen“ hätte er später sicher noch weggekürzt (was bereits Staatsballett-Gründerin Konstanze Vernon gerne gesehen hätte).

Dafür insistierte Dirigent Robertas Servenikas auf Tempo: Das Bayerische Staatsorchester surft sportlich durch die Prokofjew-Partitur. Und das zuletzt noch mal verjüngte Ballettensemble nimmt nach all den Covid-Restriktionen diese Herausforderung bewegungsgierig an.

Eine ganze Reihe Neubesetzungen fallen ins Auge, so Vladislaw Kozlov als langgliedrig-schlaksiger Faschingsprinz. Ariel Merkuri, immer sehr bühnenpräsent, war erstmals Romeos Freund Benvolio. Den anderen Freund, den Draufgänger Mercutio, erobert sich Yonah Acosta, ein Allegro-Tänzer mit Charme. Und dann die beiden großen Debüts: Jinhao Zhang, ein sicherer Techniker, profiliert sich immer stärker auch als Darsteller. Sein Romeo wirkt sehr natürlich, vor allem in seiner exzellenten Partnerarbeit mit Madison Young. Sie ist eine feingliedrige Tänzerin, darstellerisch noch ein wenig zurückhaltend, mutig jedoch in dem Wagnis von Crankos komplizierten Hebungen. Sie wirft sich hinein, schwebt hoch oben auf Zhangs Armen – und der Pas de deux fließt und fließt. Die tänzerische Harmonie zwischen den beiden ist perfekt.

Und wenn dieses Cranko-Ballett immer noch ein Hingucker ist, dann auch dank Jürgen Roses Ausstattung: wunderschön in Falten fallende Kostüme und Hauben, historische Stadtmauern, hochgelegene Brücken, Julias so luftiges Schlafgemach – Bilder wie aus einem Museum, auf der Bühne aber immer noch zeitgemäß.

Weitere Vorstellungen

am 29. Oktober und 4. November, dann wieder im April und Juni 2023;

Telefon 089/21 85 19 20.

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