Gezeichnete Avantgarde

von Redaktion

NEUERSCHEINUNG Ein Comic erzählt das Leben des Komponisten Karlheinz Stockhausen

VON JÖRG HEINRICH

Musiker als Comic-Stars, das passt prima. David Bowie ist ebenso schon in die Sprechblasen-Welt eingetaucht wie Johnny Cash oder die Beatles. Und die Graphic Novel „Beethoven. Unsterbliches Genie“ von Peer Meter und Rem Broo zeigt, dass nicht nur Pop-Legenden für die bunten Geschichten taugen. Ein Musiker-Comic kommt nun aber doch überraschend: Der Augsburger Schriftsteller, Filmemacher und Journalist Thomas von Steinaecker setzt gemeinsam mit dem Lübecker Illustrator David von Bassewitz dem Idol seiner Jugend ein gezeichnetes Denkmal. „Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“ erzählt vom bewegten Leben des 2007 verstorbenen deutschen Avantgarde-Komponisten und Elektromusik-Pioniers Karlheinz Stockhausen.

Wobei es in dem Comic beileibe nicht nur um einen der wichtigsten Musiker des 20. Jahrhunderts geht, den die Beatles auf dem Cover des „Sgt. Pepper“-Albums verewigt haben, und den Björk „Papa Techno“ nannte. Im Mittelpunkt steht die Begeisterung, beinahe die Obsession des jungen Steinaecker für den alten Tonsetzer, mit dem ihn später eine jahrelange Freundschaft verband. Zwölf Jahre war der 1977 in Traunstein geborene und in Oberviechtach aufgewachsene Bub erst alt, als ihn sein Vater die LP mit Stockhausens „Gesang der Jünglinge“ hören ließ. Von da an war’s geschehen um den kleinen Thommy: „Die Platten waren wie Tickets zu einem fremden Planeten.“

Teilen wollte seine Leidenschaft kaum jemand. Seine Spezln hörten Depeche Mode und spotteten über den Sound von „Stocki“: „Nicht schon wieder die Platten von dem Irren!“ Der Comic beschreibt ebenso klug wie spannend die Seelenverwandtschaft zwischen von Steinaecker und Stockhausen – der sich schon bei der Klavierstunde Beschwerden über den „verdammten Krach“ anhören musste, den er da veranstaltet.

Zumindest beschreiben Thomas von Steinaecker und David von Bassewitz das in ihrem Buch so, in dem der Grafikstil immer wieder wechselt, vom tristen Braungrau der Dreißigerjahre bis zu den Flower-Power-Sixties, an deren Ende die Beatles Stockhausen zu ihrem letzten Konzert auf dem Dach von Apple Music in London einluden. Aber der Meister konnte nicht, er musste komponieren, wie Paul McCartney im Comic bedauert. Wie Stockhausen mit wunderlichen Gerätschaften wie Sinusgenerator und Schwebungssummer elektronische Musik „zusammenfummelt“ fasziniert auch Leser, die noch nie einen Ton von ihm gehört haben. Ein zweiter Teil, der nicht um Stockhausens schockierende Äußerungen zu 9/11 als „das größte Kunstwerk, das es je gegeben hat“ herumkommen dürfte, ist schon in Arbeit. Doch zuvor lesen die Autoren am 1. Dezember im Literaturhaus München aus ihrem Comic.

Thomas von Steinaecker/ David von Bassewitz:

„Stockhausen – Der Mann, der vom Sirius kam“. Carlsen, Hamburg, 392 Seiten; 44 Euro.

Lesung: Thomas von Steinaecker und David von Bassewitz stellen ihr Buch am 1. Dezember, 19 Uhr, im Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, vor; es moderiert Anna Schürmer, Musikkritikerin unserer Zeitung. Karten unter 01806/70 07 33 oder unter literaturhaus-muenchen. reservix.de.

Artikel 4 von 11