Was macht einen echten Mann aus? Wie kann sich eine Frau in der Gesellschaft behaupten? Und findet man Glück tatsächlich nur in traditionellen Beziehungsmodellen? Fragen wie diese sind keineswegs eine Erfindung unserer Zeit, sondern haben bereits Shakespeare beschäftigt. Und dies selten so intensiv wie in seiner Komödie „Was ihr wollt“, die nun in einer clever komprimierten Musical-Version unter dem Originaltitel „Twelfth Night“ ihre Premiere im Prinzregententheater feierte.
Gleich zu Beginn steht eines der berühmtesten Shakespeare-Zitate jenseits des „Hamlet“-Monologs. „Wenn Musik der Liebe Nahrung ist, spielt fort!“ Was quasi nach einer Vertonung schreit. Bereits in den Swinging Sixties gab es eine erste Musical-Fassung in New York, der später zwei weitere Versuche folgten, die den Stoff mit Songs von Elvis und Duke Ellington aufpolsterten. Doch da es in der aktuellen Saison noch den 25. Geburtstag des Musical-Studiengangs der Theaterakademie August Everding zu feiern gilt, musste für diesen Anlass natürlich eine deutsche Erstaufführung her.
Hier wurde man bei Komponistin Shaina Taub fündig, die sich in den USA als Singer-Songwriterin sowie in der Off-Broadway-Szene einen Namen gemacht hat und dort 2016 mit ihrer Sicht auf „Twelfth Night“ für Furore sorgte. Taub verortet die altbekannte und doch so aktuelle Story musikalisch irgendwo zwischen jazzigem New- Orleans-Sound, gefühlvollen Pop-Balladen und funkigen Ensemblenummern. Eine reizvolle Mischung, die dank Andreas Kowalewitz und seiner grandiosen Band auch beim Publikum einschlägt. Mit einem Extralob an das herrlich dreckige Blechbläser-Trio, das der liebestollen Gräfin Olivia einen unvergesslichen Auftritt beschert.
Sie hat sich in den Pagen Cesario verguckt, der auch in seinem Herren Orsino merkwürdige Gefühle auslöst. Nicht wissend, dass es sich beim Objekt der beiderseitigen Begierde eigentlich um die junge Viola handelt, die in den Kleidern ihres tot geglaubten Bruders ein neues Leben beginnen will. Reichlich Konfliktpotenzial also, aus dem dank der wundersamen Auferstehung des männlichen Zwillings am Ende doch noch zwei glückliche Paare hervorgehen.
Dass man bei diesem Verwirrspiel nicht den Überblick verliert, liegt an der sicheren Hand von Regisseur Stefan Huber. Trotz grellbunter Roben, hoch getürmter Frisuren und schrillem Make-up dürfen die Charaktere in seiner dicht getakteten Inszenierung menschliche Züge bewahren. Denn da wurde auch an den Dialogen aus der traditionellen Schlegel-Übersetzung hart gearbeitet, die sich bewusst an den Songs reiben und damit für eine eigene Dynamik sorgen.
Getragen wird der Abend vor allem von Roberta Monção, die Violas Wandlung zur selbstbewussten Frau nuanciert gestaltet und mit Danai Simantiris Gräfin ein ähnlich stimmiges Paar bildet wie mit Johannes Summers stattlichem Orsino. Aber auch Wolfram Föppl, der als Sebastian das Liebesdreieck auflösen darf, ist alles andere als ein Trostpreis und singt sich charmant in Olivias Herz.
Die Rolle des Narren hatte Taub sich einst auf den Leib geschneidert. Ein Erbe, das Jacky Smit mit starker Präsenz antritt und für ihre mitreißende Darbietung beim Applaus ebenso abräumt wie Leopold Lachnit als überdrehter Haushofmeister Malvolio. Die Entscheidung, die Trunkenbolde Sir Toby und Sir Andrew (als Kontrast zu den in allen Rollen männlich besetzten Aufführungen in Shakespeares Zeit) von zwei Frauen verkörpern zu lassen, gibt auch Salomé Ortiz und Emily Mrosek Gelegenheit zu punkten, verwässert aber die „Heldinnenreise“ Violas. Doch wer weiß, womöglich hätte der Barde aus Stratford-upon-Avon ja gerade daran Spaß gehabt.
Weitere Vorstellungen
am 15., 17. und 19. November; Tel. 089/ 21 85 19 70.
Deutsche Erstaufführung zum 25. Geburtstag