Jetzt mal Klartext

von Redaktion

Gustavo Gimeno dirigierte die Münchner Philharmoniker

VON MARKUS THIEL

Der Meister selbst, so wird genüsslich im Programmheft erzählt, kippte sich vor jeder Aufführung einen hinter die Binde. Dem lampenfiebrigen Rachmaninow waren als Klaviersolist die eigenen Paganini-Variationen zu schwer. Beatrice Rana dürfte dafür nur ein charmantes Lächeln übrig haben. Weil: Die Italienerin spielte die Rhapsodie einfach. Das klang selbst in den heftigsten Momenten immer nach Klartext. Profiliert, auch im Lyrischen und Leisen, dazu mit stufenlos umschaltbarem Ausdruck, selbstverständlich virtuos, doch nie als Zirkusnummer.

Und manchmal drehte Rana ihr eigenes Ding, weil sie sich – zumindest beim ersten der beiden Konzerte in der Isarphilharmonie – nicht ganz mit den Münchner Philharmonikern und Gustavo Gimeno verzahnte. Überhaupt schien manches noch nicht eingerastet, auch in Rimskij-Korsakows „Scheherazade“. Gimeno, Chef beim Orchestre Philharmonique du Luxembourg und bald auch am Teatro Real in Madrid, genoss zwar den großen Aufriss. Doch missriet das nie zum Klangbad: Straff will er die Schilderungen aus 1001 Nacht haben, ohne effektvolle Verbremsungen: Die Musik soll, so kontrolliert entfaltet, in aller philharmonischen Pracht für sich sprechen und braucht keine Inszenierung.

Trotzdem geriet Sindbads Schiff – die Partitur ist ja vertrackt – anfangs ins Schlingern. Nicht alles war auch danach auf Kante musiziert. Was Gimeno trotzdem nicht daran hinderte, das „Allegro molto“ im Finale sehr wörtlich zu nehmen: Das Orchester hatte da fast ein ähnliches Virtuosenpensum zu absolvieren wie zuvor Beatrice Rana bei Rachmaninow.

Mehr als untergejubelte Moderne war das Eröffnungsstück. „Archora“ von Anna Thorvaldsdottir passt in seiner breiten Klanglichkeit gut zum übrigen Programm. Das Stück thematisiert unter anderem den Uranfang und verströmt sich entsprechend archaisch: mal oszillierende, um einen Ton kreisende Flächigkeit, mal drohend fallende Linien, mal die Grenze zum Geräuschhaften überschreitend. 15 sehr effektbewusste Minuten, die auch einen Drohnenflug über Thorvaldsdottirs Heimat Island illustrieren könnten. Das Publikum nahm die gemäßigte Avantgarde begeistert auf.

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