Schmerz zulassen

von Redaktion

Außergewöhnliches bei „Paradisi Gloria“

VON ANNA SCHÜRMER

Musik ist viel mehr als Schall und Rauch und lebt doch auch vom Nachhall der Klangereignisse – der direkt in paradiesische Zustände versetzen kann: „Paradisi Gloria“, die Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks für avancierte sakrale Musik, lebt nicht zuletzt von der umwerfenden Raumakustik der Neuhauser Herz-Jesu-Kirche, die in ihrer Gestalt den berühmten Aphorismus belegt: dass Architektur gefrorene Musik ist.

Schon die einleitende und zwischen den zwei Programmteilen fortgesetzte Deklamation von Anton Leiss-Hubers literarischer Reflexion „Davids Fehler“ setzt den Hall gekonnt in Szene: indem die eindrücklichen Stimmen von Monika Manz und Sebastian Jehkul im Raum und auch in den Köpfen des Publikums nachhallen. Das gilt erst recht für die „Musique funèbre“ von Witold Lutoslawski. Die zeichnet mit vier unmittelbar verbundenen Sätzen ein großes An- und Abschwellen nach: von der sich im „Prolog“ langsam verzweigenden Fuge, über die mächtig hallenden Klangflächen in den „Metamorphosen“, die im „Apogäum“ abstürzen und fragmentiert noch einmal anheben, um im „Epilog“ gänzlich zu vergehen.

Die „Musique funèbre“ ist eine berührende Trauermusik, die Schmerz zulässt, ohne im Leid zu versinken. Stumm flankieren die Bläser des Münchner Rundfunkorchesters und des BR-Chores das Streichorchester während dieser herzergreifenden Musik. Umso wirkungsvoller ist dann Mozarts Kantate „Davide penitente“. Schmerz und Jubel, lichte Transparenz und drohende Klangdichte, Schicksalsschwere und klingende Glaubensbekenntnisse lösen sich in den zehn Teilen ab, die wechselseitig vom Chor und dem Gesangsterzett übernommen werden.

Dass Ilse Eerens für die erkrankte Hera Hyesang Park einsprang, war kein Schaden. Ihr koloraturreicher Sopran überflügelte sogar die enorme Präsenz von Mezzo Angela Brower. Benjamin Hullets Tenor blieb neben diesen starken Frauenstimmen etwas blass, was der Wirkung dieses außergewöhnlich stimmigen Konzerts keinen Abbruch tat.

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