Geister, die er rief

von Redaktion

Michael Wollny begeistert in der Isarphilharmonie

VON REINHOLD UNGER

Von der Unterfahrt übers Prinzregententheater in die Isarphilharmonie: Die erstaunliche Karriere von Michael Wollny lässt sich auch an den Orten ablesen, an denen er in München auftritt. Erstaunlich ist diese Karriere vor allem deshalb, weil der pianistisch Hochbegabte sie zu seinen eigenen Konditionen gemacht hat und bis heute macht. Wollny hat sich nie Kompromisse zugunsten einer erhofften Breitenwirkung erlaubt und auch nicht versucht, ein imaginäres Massenpublikum irgendwo unterhalb seines eigenen Niveaus „abzuholen“. Stattdessen folgen immer mehr Menschen frei- und bereitwillig diesem undogmatisch Vielseitigen, eigensinnig Suchenden mit dem charmanten Faible fürs Nerdig-Abseitige auf seinen schwer vorhersehbaren Klangabenteuern.

Im Trio mit Eric Schaefer, seit 20 Jahren sein trommelndes Alter Ego, und dem an Kontra- wie E-Bass gleichermaßen versierten Tim Lefebvre eröffnet er das Konzert mit einem Gershwin-Klassiker, um diesen – typisch Wollny – bruchlos in eine Komposition von Alban Berg zu überführen. Wollny kreiert einen soghaften Klangstrom, der immer wieder überraschende Wendungen nimmt, bei Hindemith vorbeikommt und bei Nick Cave Station macht, sich einen Spaß mit Duke Ellington erlaubt und Schuberts „Erlkönig“ ganz neu einkleidet.

Selbstgeschriebenes streut er ebenso ein wie obskure Filmmusiken, was aber letztlich egal ist, weil dank seines Hangs zur frechen Travestie und eines raffinierten Wechselspiels aus dramatischen Steigerungen und retardierenden Momenten eh alles zu Wollny-Musik wird.

Neu im Bandsound ist der relativ dezente, dafür effiziente Einsatz von Elektronik (Lefebvre ist der Spezialist dafür). Das Gros des Live-Repertoires stammt vom neuen Album „Ghosts“, benannt nach – typisch Wollny – einem Stück der Avantgarde-Pop-Ikone David Sylvian. Nach der Geistersternstunde in der Philharmonie kann man sagen: Die Geister, die er rief – Wollny beherrscht sie perfekt.

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