Smarte Texte zu sattem Sound

von Redaktion

Konzert der Hamburger Band Tocotronic in der Münchner TonHalle

Die Musik der Hamburger Band Tocotronic war seit Bandgründung 1993 schon immer besonders. Kritischer, ironischer, smarter, deutungsreicher. Irgendwie distinguiert anmutender Intellektuellen-Punk mit wunderbar sprechenden Slogans im Titel, von „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ bis „Pure Vernunft darf niemals siegen“.

„Nie wieder Krieg“ passt da als Titelsong des neuen Albums und der aktuellen Tour perfekt ins Konzept. Prophetische Fähigkeiten besitzt das seit 29 Jahren immer wieder einen Nerv treffende Quartett aber angeblich nach wie vor nicht. Denn Dirk von Lowtzow betont in seiner ersten Anmoderation in der Münchner TonHalle energisch, dass die Songs des neuen Albums alle bereits vor der Pandemie entstanden seien. Schauderhafte Ironie des Schicksals, wie gut das alles plötzlich in die Gegenwart und zur politischen Weltlage passen will. Tatsächlich geht’s aber vor allem um die Verletzlichkeit und Zerrissenheit des Einzelnen. Mit der üblichen, angenehm unmachohaften Lässigkeit, versteht sich. Bei allen Titeln des Abends fällt aber vor allem auf, was Tocotronic im Gegensatz zu Bands, deren Verfallsdatum einfach irgendwann abgelaufen ist, so frisch hält – die ständige, konsequente Weiterentwicklung. Von der jungenhaften und nerdigen Deutschpunktruppe der „Hamburger Schule“ mit viel Gitarre über mehr Geigen, Synthesizer und Substanz, aber auch mehr Geschwurbel in den Texten hin zum gegenwärtigen Sound, der voller, satter und raffinierter gewoben scheint. Auch die Texte sind noch abstrakter, surrealer und wortgewaltiger geworden. Ihren speziellen Humor haben sie aber zum Glück nicht verloren. Und so gehen die Fans beim aktuellen Hit „Jugend ohne Gott gegen Faschismus“ genauso mit wie bei den alten Nummern von „Digital ist besser“ über „Aber hier leben, nein danke“ bis „Let there be Rock“. ULRIKE FRICK

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