Das glaubt doch kein Mensch, dass da eine 81-jährige Pianistin und ein 74-jähriger Cellist auf der Bühne stehen! Martha Argerich und Mischa Maisky präsentieren drei fast schon zu Tode geleierte Sonaten-Klassiker von Beethoven, Chopin und Debussy – doch von Routine keine Spur: Mit ungebrochener Neugier und unbändiger Lust am gemeinsamen Musizieren stürzen sich die beiden lebenden Legenden in die Stücke, und ihre Interpretationen klingen so frisch, frech und frei, als hätten sie die Noten gerade erst auf einem Dachboden entdeckt. Ihr inniges, intimes Zusammenspiel zaubert wohlig-warme Wohnzimmer-Atmosphäre in den Herkulessaal – ganz ohne Stehlampe. Beide sitzen Rücken an Rücken, verstehen sich offenbar blind und pflegen einen romantischen, sinnlichen, leidenschaftlichen Zugriff: Sogar Beethovens Sonate op. 5 Nr. 2 von 1796 wirkt bei ihnen wie eine Schöpfung der Romantik.
Dabei trägt die Königin des Klaviers zwar einen Rock, hat aber eindeutig die Hosen an: Sie bestimmt alle Tempi, setzt gezielt dynamische Akzente, überrascht oft mit einem Anschwellen der Lautstärke oder einem Anziehen des Tempos – und bringt mit ihrer rassigen Rasanz ihren musikalischen Mitstreiter mehrmals ins Schwitzen.
Maisky kultiviert einen sehr süffigen, vibratogetränkten Celloton, kämpft jedoch vor allem in höheren Lagen bisweilen mit Intonationsproblemen. Die Tastenlöwin agiert hingegen stets mit frappierender Leichtigkeit, imponierender Risikofreude und faszinierender Souveränität. Trotzdem freut sie sich noch immer wie ein Kind über besonders beglückende Passagen – etwa wenn Staccati und Pizzicati plötzlich perkussiven Pep in die Debussy-Sonate bringen. Bezeichnend für diesen so herzerfrischenden wie herzerwärmenden Abend ist die erste der drei Zugaben: Die „Polonaise brillante“, von Chopin mit 19 Jahren komponiert und später von ihm selbst als „reines Blendwerk“ abgetan, wird von dem schlichtweg zum Niederknien schön musizierenden Traumpaar veredelt zu einem funkelnden Juwel. Standing Ovations.