Julia Fischer, Violine, das liest und sagt sich heute so leicht. Dabei hätte die Sache auch ganz anders ausgehen können. Man denke nur an Auftritte in ihrer Heimatgemeinde Gauting, als da ein Kind am Klavier saß und die Finger über die Tasten flitzen ließ. Klavier und Violine, das spielte Julia Fischer lange parallel und gleich gut. Bekanntlich ist irgendwann eine Entscheidung gefallen. Schon lange rangiert die heute 39-Jährige in der Geigen-Spitzenklasse. Und erhält – nicht nur dafür – 2022 den Kulturellen Ehrenpreis der Stadt München.
Prämiert wird ihr Können als Solistin, aber auch ihr Einsatz für die „musikalische Breitenföderung“, wie es in der Jury-Begründung heißt. Explizit erwähnt werden die Kindersinfoniker. Ein Orchester für Sechs- bis Vierzehnjährige, das Julia Fischer gründete und mit Henri Bonamy und dem Komponisten Johannes X. Schachtner leitet. Außerdem sind da noch die Musikferien am Starnberger See, wo sie Meisterkurse gibt, und der JF Club, eine digitale Musikplattform. Julia Fischer sei eine Musikerin, „die allen gegenwärtigen Veränderungen und Entwicklungen bewusst, kritisch und offen begegnet“, lobt die Jury.
„Die Jüngste“, dieses Etikett bekam Julia Fischer schon früh angeklebt. Die gebürtige Münchnerin ist in Gauting aufgewachsen und lebt auch heute noch dort mit ihrem Mann und den beiden gemeinsamen Kindern. Schon mit vier Jahren erhielt Julia Fischer ihren ersten Geigenunterricht. Mit acht trat sie erstmals als Solistin eines Violinkonzerts auf. Ein Jahr später bereits startete sie das Studium an der Münchner Musikhochschule bei Ana Chumachenco, die auch Veronika Eberle, Arabella Steinbacher oder Lisa Batiashvili den Weg zur großen Karriere ermöglichte. 2006 berief die Frankfurter Musikhochschule Julia Fischer als damals jüngste Professorin einer deutschen Kunst-Universität, 2011 wurde sie Professorin in München – als Nachfolgerin ihrer einstigen Lehrerin. Was zeigt: Da ist nicht nur eine Frühreife unterwegs, da agiert auch eine Künstlerin, der Unterrichten, die Weitergabe ihrer Erfahrungen fast ebenso wichtig ist wie ein Konzert vor 2000 Menschen. Funktionieren kann das nur mit erheblichem Selbstbewusstsein. Das strahlt das Spiel von Julia Fischer aus, aber auch jeder Auftritt, jedes Gespräch abseits der Bühne.
Dementsprechend cool hat sie kürzlich auf eine Aktion von Klima-Aktivisten in der Hamburger Elbphilharmonie reagiert. Bekanntlich klebten sich dort zwei Störer am Geländer des Dirigentenpults fest. Mit so etwas habe sie gar kein Problem, erklärte Julia Fischer danach dem Bayerischen Rundfunk. Die Sorgen und Ängste besonders der jungen Menschen könne sie nachvollziehen. Ob das Festkleben die passende Aktion sei, wisse sie nicht. Sie habe aber keine bessere Lösung für einen solchen Protest. „Die Menschheit steht vor einer gewaltigen Aufgabe. Und ich sehe als Bürger nicht, dass das Problem so ernsthaft angegangen wird, wie es angegangen werden muss.“
Der Kulturelle Ehrenpreis ist mit 10 000 Euro dotiert. Seit 1958 wird damit eine Persönlichkeit für ihre kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen geehrt. Preisträgerinnen und Preisträger waren unter anderen Dieter Hildebrandt, Senta Berger, Klaus Doldinger, Gerhard Polt oder Hanna Schygulla.