Zurück in die Wildnis

von Redaktion

Gespräch mit Joel O’Keeffe vor dem Airbourne-Konzert in der Münchner Tonhalle

VON DOMINIK GÖTTLER

Mit ungewöhnlicher Bühnenakrobatik hat sich schon so mancher Rockstar einen Ruf erarbeitet. Hosen-Frontmann Campino tat sich als Bühnenkletterer hervor, der aus schwindelerregenden Höhen seine Zeilen anstimmt. Der Fürst der Finsternis Ozzy Osbourne verewigte sich in den Geschichtsbüchern, indem er vor Publikum einer Fledermaus den Kopf abbiss. Und dann ist da noch Joel O’Keeffe, Sänger und Leadgitarrist der Hardrocker von Airbourne. Sein Markenzeichen: die am eigenen Kopf zertrümmerte Bierdose, ohne die keines seiner Konzerte auskommt. Am morgigen Mittwoch kann sich das Münchner Publikum in der Tonhalle von den Nehmerqualitäten des australischen Dickschädels überzeugen. Musik gibt’s auch dazu.

Videoanruf bei O’Keeffe. Als das Bild aufploppt, schlurft er gerade mit Banane und Wasser in der Hand durch die Madrider Palacio-Vistalegre-Arena. „Moment, ich suche einen ruhigen Ort“, sagt er. Mit der Ruhe ist es dort bald vorbei, kurz nach dem Gespräch werden die Verstärker fürs abendliche Airbourne-Konzert aufgedreht. O’Keeffe sprintet über den Parkplatz zum Tourbus – und erklärt, wie die Bierdose zu seinem Markenzeichen wurde. „Am Anfang habe ich die Dose an meinem Handgelenk zerschlagen.“ Irgendwann schlitzte ihm das Aluminium die Haut auf. „Da habe ich mir eine Alternative gesucht. Und es hat sich herausgestellt, dass mein Kopf auch recht hart ist.“ Der Vorteil: So kann er gleichzeitig noch ein Solo spielen.

Airbourne steht für australischen Hardrock in der Tradition des wohl größten Exportschlagers aus Down Under: AC/DC. Den Vergleich hört O’Keeffe oft – und trotzdem nervt er ihn kein bisschen. „AC/DC haben aus Australien eine Hardrock-Nation gemacht. Mit einem Sound, den es so noch nie gab. Mit so jemandem verglichen zu werden, ist eine Ehre.“ Schließlich waren es auch die Riffs der Young-Brüder, die O’Keeffe in die Welt des Hardrock entführten. Als Kind stibitzte er regelmäßig Vinylplatten seines Onkels: AC/DC, Rose Tattoo, Black Sabbath. Seine Mitschüler hörten Pop oder College-Rock von Blink182. „Nicht meine Welt.“ O’Keeffes Welt war die der schweren Gitarrenriffs, der turmhohen Verstärker und der zerrissenen hautengen Jeans. Die Welt von AC/DC – und jetzt auch von Airbourne.

2007 begann der Siegeszug des australischen Quartetts mit der Scheibe „Runnin’ Wild“. Vor drei Jahren erschien das bislang letzte Album. Für die aktuelle Tour erwartet die Besucher ein Querschnitt aus dem bisherigen Werk. Im Gegensatz zu anderen Künstlern kam bei Airbourne keine neue Platte mit aus dem (in Australien besonders strengen) Lockdown. O’Keeffe gibt zu: „Ich kann keine Rock’n’Roll-Songs schreiben, wenn ich zu Hause festsitze. Ich brauche die Energie der Menge für neue Ideen.“ Also soll die aktuelle Tour als Inspiration dienen. „Wir sammeln – nach einer Tour haben wir in der Regel um die 1000 Riffs zusammen, nächstes Jahr wird aufgenommen“, sagt er, greift zur Gitarre und klimpert drauflos. Das Plektrum wird er das ganze Gespräch über nicht mehr aus der Hand legen.

Und was war es nun für ein Gefühl, nach dem Lockdown zum ersten Mal wieder auf der Bühne zu stehen? O’Keeffe erzählt von einer Tierdoku, die er kürzlich gesehen hat. Von einem jungen Löwen, der in Gefangenschaft aufgewachsen war. Ausgewildert in Afrika spürte er zum ersten Mal Gras unter seinen Pfoten. Und flitzte entzückt davon in die Wildnis. „Ungefähr so war das.“ Runnin’ Wild. Nur ohne Bierdose.

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