„Erkennen Sie die Melodie“ – das geht zu weit. Aber „Erkennen Sie den Stil“ lässt sich mit dieser Symphonie locker spielen. Als da wären die flirrenden „Parsifal“-Streicher im ersten Satz, die Themen à la Bruckner, nicht ganz so kathedralenhaft, viel milder. Dazu das walzernde Mahler-Scherzo und ein langsamer Satz, der mit seinem hymnischen Thema ein tönendes Abziehbild von Brahms’ Erster ist. Das Ganze stammt aber von Hans Rott (1858-1884), an der Orgel ein Lieblingsschüler Anton Bruckners, am Wiener Konservatorium ein Kommilitone Gustav Mahlers.
Rott vorzuwerfen, er habe in seiner ersten Symphonie abgekupfert, greift zu kurz – auch das macht diese außerordentliche Einspielung deutlich. Jakub Hrůša und seine Bamberger Symphoniker zeigen: Gerade Mahlers Œuvre manifestierte sich nicht im luftleeren Raum. Dass nach Beethoven und Brahms die Symphonik in ihrer Dimension quasi über die Ufer tritt, lässt sich hier nachhören. Entscheidend ist aber, dass all dies wie bei Hrůša und dem Orchester nicht zum Imponiergehabe verführt. Die Eleganz, die Wärme des Klangs, die liebevolle Behandlung von Details und Steigerungswellen machen Rotts Erste zum Hör-Erlebnis. Dazu gibt es „Blumine“, jenen Satz, den Mahler aus seiner Ersten strich, und Bruckners Symphonisches Präludium – mehr als Dreingaben, sondern zwei Stücke aus demselben Geist.
Hans Rott:
Symphonie Nr. 1, Mahler: „Blumine“, Bruckner: Symphonisches Präludium. Bamberger Symphoniker, Jakub Hrůša (Deutsche Grammophon).