Die Opern der Stunde

von Redaktion

Die Salzburger Festspiele präsentieren ihr Programm für das kommende Jahr

VON MARKUS THIEL

„Ein bedeutsamer und klarer Schritt ist dies“, findet der Intendant. Hin zum Generationenwechsel. Und der manifestiert sich nach Meinung von Markus Hinterhäuser in zwei Dirigenten: Raphaël Pichon (38) und Maxim Pascal (37). Ersterer dirigiert bei den Salzburger Festspielen im nächsten Jahr Mozarts „Figaro“, Letzterer Martinůs „Griechische Passion“. Zwei von vier Opernpremieren (plus der im Sommer nachgespielten Pfingst-Produktion), die ein weites musiktheatrales Spektrum öffnen. Weiter und vielversprechender, so jedenfalls die Papierform, als in den vergangenen, von Corona gebeutelten Sommern.

Mit der „Griechischen Passion“, in der Flüchtlinge in ein Dorf kommen, wo ein Passionsspiel vorbereitet wird, bietet Salzburg quasi das Stück zur Stunde. Keine „triviale Aktualisierung“ des Programms schwebt Hinterhäuser hier vor. „Menschen werden nicht akzeptiert von der herrschenden Bevölkerung. Das ist eine Oper, die aufgeführt werden muss.“

Als Hinterhäuser am gestrigen Freitag seinen nächsten Sommer vorstellte, wurde allerdings auch deutlich: Der Chef ist treu. Weil er zum Beispiel Regisseure wie Martin Kušej bucht (für den „Figaro“), die man längst nicht mehr unterm Mönchsberg erwartet hätte. Und weil Hinterhäuser an Teodor Currentzis festhält. Der Umstrittene, von dem viele noch immer eine Distanzierung von Putins Angriffskrieg erwarten, gehört seit Hinterhäusers erster Saison 2017 zum Salzburger Künstlerinventar. 2023 wird er keine szenische Opernproduktion betreuen, sondern mit Purcells „The Indian Queen“ nur eine konzertante – plus die traditionelle Aufführung von Mozarts c-Moll-Messe in der Stiftskirche St. Peter.

„Meine Einschätzung der Situation von Teodor Currentzis hat sich nicht geändert“, sagte Hinterhäuser gestern gegenüber unserer Zeitung. „Ich möchte Currentzis in Salzburg haben. Und ich finde gut, dass er den Schritt gegangen ist und mit Utopia ein neues Orchester gegründet hat.“ Denn: Currentzis wird dieses Mal nicht sein Stamm-Ensemble MusicAeterna mitbringen. Einige Mitglieder waren in den vergangenen Wochen negativ aufgefallen, als sie sich etwa über die westliche Anti-Putin-Politik lustig gemacht hatten. Zudem warf man dem Ensemble vor, auf international geächtete, russische Sponsoren zu vertrauen. „Meine Neugier auf Utopia ist groß“, formuliert es Hinterhäuser.

Weitere Überraschung im Opernprogramm: Es gibt gleich zweimal Verdi. Mit seinem „Macbeth“ nimmt der Komponist in Hinterhäusers Augen eine Vermessung, mit „Falstaff“ eine Bewertung der Welt vor. „Diese beiden Pole haben mich bei dieser Programmwahl interessiert, ich hätte also nie ,Rigoletto‘ und ,La traviata‘ in einem Sommer gebracht.“ Mit ihrem Debüt als Lady Macbeth festigt übrigens Asmik Grigorian ihre Rolle als Salzburgs Stamm-Sopranistin. Ergänzt wird das Opernprogramm durch eine spektakuläre konzertante Aufführung: Sir John Eliot Gardiner wuchtet den Berlioz-Koloss „Les Troyens“.

Ansonsten finden sich im Festspielprogramm die üblichen Promi-Verdächtigen. Die Sparte Konzert widmet sich unter anderem anlässlich des 100. Geburtstages dem Komponisten Györgi Ligeti, Peter Sellars zeigt eine szenische Fassung der „Musikalischen Exequien“ von Schütz, die Ouverture spirituelle steht zur Festival-Eröffnung unter dem Motto „Lux aeterna“. Und eine Besonderheit sind einstündige „Nachtmusiken“ mit dem Bariton Georg Nigl, der hier auf den Schauspieler Ulrich Noethen trifft.

In ihrer letzten Saison als Schauspielchefin bringt Bettina Hering vier Premieren heraus (siehe Kasten). Das populärste Stück ist Lessings „Nathan“ – wobei die Titelrolle von einer Frau übernommen wird, von Judith Engel. Das neue „Jedermann“-Paar mit Michael Maertens (Titelrolle) und Valerie Pachner (Buhlschaft) wurde bereits in der vergangenen Woche präsentiert.

Für die 179 Termine an den 43 Festspieltagen kündigte Lukas Crepaz, kaufmännischer Direktor, eine moderate Preiserhöhung an. Diese betreffe aber nur die oberen Segmente, die teuerste Opernkarte kostet nun 465 Euro. 50 Prozent der Tickets bewegen sich laut Crepaz in einer Spanne zwischen fünf und 110 Euro.

Betont gelassen sieht Hinterhäuser der Musterklage entgegen, die von Künstlerinitiativen gegen die Festspiele eingebracht wurde. Wie berichtet, wollen sich diese nicht damit abfinden, dass in den Corona-Jahren Produktionen gestrichen oder verlegt wurden und fordern Ausgleichszahlungen. Nicht um hunderte Künstler handele es sich, sagt Hinterhäuser, „sondern nur um ein Mitglied der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor“. Der Intendant bleibt seiner Argumentation treu: Anders als viele Kulturinstitutionen hätten die Festspiele während der Pandemie gespielt und viele Auftrittsmöglichkeiten geschaffen. Er wolle die Musterklage nicht verharmlosen, die Kläger bewegten sich aber „auf ganz dünnem Eis“.

Informationen

zum genauen Programm und zum Vorverkauf unter

salzburgerfestspiele.at.

Martinů-Oper zum Thema Asyl und Fremdenhass

Intendant zeigt sich gelassen angesichts einer Musterklage

Artikel 3 von 11