Noch vor dem ersten Ton der Münchner Philharmoniker leuchtet ein Fotograf alle Seiten der Isarphilharmonie aus. Sein Bild markiert den Endpunkt eines Langzeitprojekts, das 2019 noch vor dem ersten Spatenstich auf dem HP8-Gelände startete und nun in einer 360-Grad-Sicht auf einen ausverkauften Publikumsraum und eine volle Bühne mündet: die Szenerie für ein Programm, das die Welt musikalisch auslotet.
Mit ihren sechs Sätzen, dem riesigen Orchesterapparat und einer Spielzeit von rund zwei Stunden hat Gustav Mahlers Symphonie Nr. 3 nicht nur formal enorme Ausmaße; auch inhaltlich verfolgt das Werk universelle Ansprüche, die sich im ersten Satz bündeln: Ein Urknall von einem Satz, in dem Mahler das gesamte musikalische Material entfaltet, und bei dem Debütant Robin Ticciati sein ganzes Können als Dirigent zeigt. Als agiler Strippenzieher und umsichtiger Regisseur lenkt er den Klangkörper als Ganzes und hat doch immer auch seine Einzelteile im Blick und im Ohr. Im Folgenden werden sämtliche Dimensionen der Welt ausgeleuchtet: Unbekümmert ist der Tanz der Blumen im zweiten, polyphon bewegt das Wuseln der Tiere im dritten Satz. Schließlich der engelsgleiche Auftritt von Elina Garanča im mysteriösen vierten Satz, die mit ihrem überirdischen Alt doch das Menschsein intoniert; abgelöst vom „Bim-Bam“ des Tölzer Knabenchores, das in die himmlischen Sphären der Liebe im abschließenden Satz hinführt. Noch während der letzte Ton leicht schwankend in der Luft steht, bricht der erste Klatscher durch, der Auftakt zu einem wahren Beifallssturm.