Südwind statt Nordlicht

von Redaktion

Die Sängerin und Intendantin Lilli Paasikivi übernimmt 2025 die Bregenzer Festspiele

VON MARKUS THIEL

Womöglich hat sie sich irgendwann gedacht: Ich komme hier nie mehr weg. Mitglied im Opernstudio der Finnischen Nationaloper, dann Beförderung ins Ensemble. Und als 2013 die Intendanz frei wurde, bewarb sich Mezzosopranistin Lilli Paasikivi für diesen Posten – mit Erfolg. 28 Jahre in Helsinki kamen dabei zusammen. „Ich liebe die Finnische Nationaloper, aber das ist genug.“ Worte, gesprochen gestern am Ort ihres künftigen Wirkens: Die 57-Jährige wird 2025 Intendantin der Bregenzer Festspiele und damit Nachfolgerin von Elisabeth Sobotka.

Eigentlich wollten die Bregenzer erst im ersten Quartal 2023 weißen Rauch aufsteigen lassen. Dass es so schnell ging mit Lilli Paasikivi (Betonung übrigens auf der ersten Silbe des Nachnamens), zeigt, wie sehr sie die Verantwortlichen am Bodensee überzeugt haben muss. 26 Bewerberinnen und Bewerber gab es, darunter „sehr namhafte Persönlichkeiten“, wie Festspiel-Präsident Hans-Peter Metzler sagt. Vertrauen muss auch schnell entstanden sein, man duzt sich bereits im Führungsteam.

Lilli Paasikivi wurde geboren im finnischen Imatra, direkt an der russischen Grenze. In ihrer Zeit als Sängerin hat sie das große Mezzo-Repertoire gesungen, ob Octavian im „Rosenkavalier“, Kundry im „Parsifal“ oder Fricka im „Ring“. Mariss Jansons holte sie 2004 für Mahlers dritte Symphonie zum BR-Symphonieorchester. Und nach ihren Favoriten befragt, auch als Intendantin, nennt sie „große deutsche Werke des 20. Jahrhunderts“ etwa von Strauss oder Korngold. „Aber vielleicht sollte ich so etwas gar nicht sagen“, schiebt sie auf der gestrigen Pressekonferenz hinterher.

Die Zeit drängt nun für die designierte Intendantin. Am besten gestern sollte der Stücktitel für die neue Seebühnen-Produktion im Jahr 2026 stehen, Produktionsteam inklusive – die Vorplanungen dort sind lang und komplex. Bekanntlich wird Puccinis „Madame Butterfly“ ein zweites und letztes Mal im kommenden Sommer gezeigt. 2024 und 2025 soll Webers „Freischütz“ in der Inszenierung von Philipp Stölzl die Massen nach Vorarlberg locken. Lilli Paasikivi kündigte an, dass sie im Frühjahr 2023 mehr über 2026 verraten werde.

Die zweite Frau auf dem Bregenzer Thron ist zugleich erst die fünfte Besetzung für diesen Posten. 30 Jahre lang, von 1952 bis 1982, war Ernst Bär Intendant. Unter Alfred Wopmann entwickelten die Festspiele zwischen 1983 und 2003 die „Bregenzer Dramaturgie“ – mit intelligenten, klugen Spektakeln auf der Seebühne. Von 2004 bis 2014 führte dies David Pountney weiter, der zugleich das Festspielhaus für unbekanntere Stücke öffnete. Elisabeth Sobotka, die 2015 ihr Amt antrat, kehrt nach zehn Jahren gewissermaßen zurück in ihre künstlerische Heimat: An der Berliner Staatsoper Unter den Linden war sie Operndirektorin, nun wird sie 2024 dort Intendantin.

Dass Nachfolgerin Lilli Paasikivi am Bodensee nicht alles umkrempeln wird, versteht sich von selbst. Die Opern auf der Seebühne müssen populär sein, damit sie mit ihren Hunderttausenden von Besucherinnen und Besuchern das übrige Programm finanzieren können. Die Festspiele haben hier ein Trauma erlitten, als sie 2011 und 2012 Giordanos „André Chenier“ ansetzten. Eine herausragende Produktion, die aber auf viel weniger Interesse stieß und Bregenz prompt in eine finanzielle Schieflage brachte. „Wir brauchen keine Revolutionen“, formuliert es gestern Festspiel-Präsident Hans-Peter Metzler.

Dennoch hat Lilli Paasikivi an der Spitze der Finnischen Nationaloper einiges ausprobiert. 2019 startete sie etwa „Opera beyond“ – ein Projekt, das neue technologische Möglichkeiten im Musiktheater und im Ballett ausprobierte. Eines ihrer nächsten Projekte wird aber ein persönliches sein: Zwar war dies gestern ihre erste Pressekonferenz auf Deutsch (mit „Rückfällen“ ins Englische). „Doch bis 2025 möchte ich die Sprache fließend sprechen können.“

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