Heimatlos in der Musik daheim

von Redaktion

Tim Scott McConnell alias Ledfoot über sein neues Album „Coffin Nails“

VON CHRISTOPH ULRICH

Man kommt nicht umhin, Tim Scott McConnells Äußeres zu beschreiben: Schlohweißes Haar leuchtet ums markante Gesicht, seine Augen blitzen in bester Keith-Richards-Manier kajal-dramatisiert darunter hervor. Arme und Hände sind hart tätowiert und die Fingernägel, natürlich, nachtschwarz lackiert. Wenngleich Äußerlichkeiten eigentlich nichts zur Sache tun – im Fall von Ledfoot gehören sie zu einem Gesamtkunstwerk. Man ahnt es: Bis aus Tim McConnell der mystische Erfinder des düsteren Gothic Blues, Ledfoot, geworden ist, hat sein Leben einige Volten geschlagen.

Sein neues Album „Coffin Nails“ – Himmel!, sogar der Plattentitel passt ins Bild – ist ein willkommener Anlass, einen Blick auf eine Lebensgeschichte zu werfen, die eigentlich verfilmt gehört. Geboren in Florida, fängt er mit 15 Jahren an, in Biker-Bars aufzutreten. Sein reduzierter akustischer Mix aus Songwriter-Folk und Blues kommt gut an, er nimmt Alben für namhafte Labels auf. Das tut er mit seinen Bands The Rockats und The Havalinas, aber konsequent auch solo. Er sieht sich als arbeitender Musiker, tourt exzessiv und darf bald Musikprominenz zu seinen Fans zählen: Bruce Springsteen nimmt seinen Song „High Hopes“ gleich zweimal auf: 1996 als B-Seite und noch einmal 2014 als Titelsong für seine neue Platte; Sheena Easton hat mit „Swear“ 1984 einen bemerkenswerten Erfolg. Nach zehn Jahren in New York, sieben in Los Angeles und einem Stopp in England zieht es ihn nach Norwegen. „Ich habe jetzt Kinder hier. Sie brauchen mich, und ich brauche sie“, sagt er knapp, aber herzlich. Dass McConnell die palmengesäumten Sonnenstrände Floridas und Kaliforniens nur zu gern gegen die flechtengezeichneten Steinküsten Norwegens eingetauscht hat, kann man guten Mutes annehmen.

Mit dem Wechsel des Lebensmittelpunktes erfand er sich auch als Musiker neu: „Ich fühlte mich schon immer zu dem Drahtseilakt einer Solo-Performance hingezogen, bin aber mit Rock ’n’ Roll aufgewachsen.“ Er schätze Groove und ein paar Bässe. „Ich fand heraus, dass ich mit einer zwölfsaitigen Gitarre und sehr schweren Saiten, einem Slide und zwei Stomp-Percussion-Pedalen alles hatte, was ich klanglich und groovemäßig in einem Solo-Setting wollte.“ Natürlich müsse er sich den Arsch abarbeiten, damit es funktioniert. „Aber die Leute lieben es, wenn jemand hart für sein Geld arbeitet.“ Der angedüsterte, atmosphärische und von großem Talent fürs Geschichtenerzählen geprägte Sound hat einen tieferen Sinn. „Ein Teil davon, Ledfoot zu werden, war es, einen Stil zu kreieren, der für mich eine Heimat ist.“ Er sei in einem Wohnwagen geboren worden, auf mehr als 20 Schulen in den USA, Wales und Spanien gegangen. „Ich komme von nirgendwo her und brauchte eine Musik, die ich spielen konnte, die von diesem Ort kam – den es nicht gibt.“

Es ist anzunehmen, dass „Coffin Nails“, das er in zwei Tagen live im Studio auf Analog-Band einspielte, eine ähnliche Karriere hinlegt wie die Vorgänger „Black Valley“ (2021) und „White Crow“ (2019), die für den Spellemann Award nominiert wurden, Letzteres gewann den begehrten „Grammy“ Norwegens dann auch.

Ledfoot:

„Coffin Nails“

(TBC Records).

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