Die Unangepassten

von Redaktion

Porträt der Familie Braunfels/Hildebrand

VON MARKUS THIEL

Wer den Stammbaum betrachtet, geht in die Knie. Bildhauer Adolf von Hildebrand, Ökonom Bruno Friedrich Hildebrand, Komponist Walter Braunfels, Philosoph Dietrich von Hildebrand, Architekt Stephan Braunfels – das sind fünf Generationen europäische Geistesgeschichte. Hier formierten sich Unangepasste zu einer Familie, Revoluzzer gegen Moden und Obrigkeiten. Vornehmlich Männer, die sich zwar als Erben von Tradition sahen, das Gesetzte, Verordnete, scheinbar Unumstößliche aber hinterfragten.

Wolfgang Herles hat sich die Mühe gemacht, die Familie Braunfels/Hildebrand in Einzelporträts zu erhellen, vor allem aber Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Deutlich wird, dass dieser Widerstandsgeist („ob aus Stolz oder Trotz“) nie politisch motiviert, also nie links oder rechts war, sondern sich aus starken inneren Überzeugungen speiste. Was so weit ging, dass – wie in den Fällen von Adolf von Hildebrand oder Stephan Braunfels – sogar der etablierte Ausbildungsweg (zunächst) abgelehnt wurde – man startete als Autodidakt.

Herles hat eine erstaunliche Faktenfülle zusammengetragen und zu Porträts gerundet. Es sind dies Charakterstudien von oft Unverstandenen. Und fast alle nährten sie ihre Kunst unter südlicher Sonne: Zum 1873 erworbenen, florentinischen Kloster, eine Art Stammsitz, kehrten sie immer wieder zurück.

Je näher diese Familienmitglieder der Jetztzeit sind, desto plastischer werden naturgemäß die Porträts. Am eindrücklichsten bei Walter Braunfels, einem zwischen den Stilen und Schulen zerriebenen Komponisten, der während der Nazi-Zeit in die innere Emigration ging. Und bei Stephan Braunfels, der wohl „schuld“ an diesem Buch war. Herles muss sich unzählige Male mit dem Baumeister unter anderem der Pinakothek der Moderne unterhalten haben. Was auch zur Hagiografie führte: Das Buch ist aus der Fankurve geschrieben. Jeder Beschriebene wird zum Alleinkämpfer gegen das Umfeld stilisiert – kein Körnchen Kritik oder Distanz darf die Porträts beschmutzen.

Wolfgang Herles:

„Felsen in der Brandung“. Benevento, Elsbethen, 336 Seiten; 35 Euro.

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