Die Dichterin Sylvia Plath – ihre Verse sind reich an Metaphern, ihr Wortschatz und ihre sprachliche Erfindungsgabe sind enorm. Und es liegt eine Tragik in ihnen, denn sie lassen sich nur schwer von Plaths bitterem Lebensende trennen: Die US-Amerikanerin, 1932 in der Nähe von Boston geboren, litt unter starken Depressionen und unternahm mehrere Suizidversuche. Verheiratet war sie mit dem Dichter Ted Hughes (1930-1998); das Paar hatte zwei Kinder. Auf Fotos wirkt Plath manchmal wie eine junge, sehr adrette amerikanische Hausfrau, die Glücklichsein ausstrahlt. Doch am 11. Februar 1963, vor 60 Jahren, schied sie freiwillig aus dem Leben, da war sie gerade mal 30. Ihr literarischer Erfolg setzte erst postum ein. Jetzt hat die Autorin Judith Zander Plaths Gedichte aus ihren letzten drei Lebensjahren ins Deutsche übertragen – und sie den englischen Originalen gegenübergestellt.
Vieles in den Gedichten des bei Suhrkamp erschienenen Bands „Das Herz steht nicht still“ kreist um den Tod – das Amorphe, das Undurchlässige und die Erstarrung sind spürbar. Andererseits spielt Plath ironisch mit der Endlichkeit des Lebens: „Ich will keine einfache Kiste, ich will einen Sarkophag/ Mit Tigerstreifen und aufgemalten Gesicht/ Rund wie der Mond, um heraufzustarren.“ Auch ihre Beziehung zu Ted Hughes klingt in diesen Gedichten an. Die Ehe war sicherlich von Liebe getragen. Später erkaltete die Passion jedoch – das Zusammenleben der beiden war also Leidenschaft und Leid in einem. Leid erfuhr die Dichterin jedoch auch, wenn sie mit dem eigenen Schaffen haderte: „Diese Gedichte leben nicht; eine traurige Diagnose.“ Diese Diagnose führte allerdings nicht zum Verstummen ihrer lyrischen Stimme – im Gegenteil! Sie hat in den letzten Lebensjahren eine beträchtliche Zahl von Gedichten geschrieben. Nur sind sie allesamt von Düsterkeit, ja Lebensüberdruss getragen. – „Was sind das für Worte, Worte?/ Sie kleckern hervor wie Schlamm“ heißt es in einem. Das Zentrum des Buches bildet das Langgedicht „Three Women“. Dieser Text wurde von der BBC 1962 als „Verse Play for Radio“ ausgestrahlt. Drei Frauenstimmen klagen darin über ihr Frausein Anfang der Sechzigerjahre. Ob im Privatleben oder im Beruf – sie werden nicht als gleichwertig behandelt, ja, sie werden von Männern beherrscht. Dabei gelte für diese doch: „They were so flat!“ – Sie alle waren so flach im Geiste. Diese Flachheit aber habe Methode: Sie nivelliert alles ins Banale und bringt damit Erniedrigung mit sich. Eine Frauenstimme klagt: „Ich werde benutzt. Ich werde zum Nutzen geprügelt./ Meine Augen werden zusammengepresst von Schwärze./ Ich sehe nichts.“ Plaths Conclusio lautet: „Ich bin für gar nichts bereit./ Ich hätte das umbringen sollen, was mich umbringt.“
Wie in der Naenia, dem Trauergesang im antiken Rom, und zugleich als Erinnyen, die Rachegöttinnen der griechischen Mythologie, klagen die drei Frauenstimmen in diesem Text den Ist-Zustand patriarchaler Gewalt an. Sie erzählen ihre jeweilige Geschichte – doch was sie sagen, soll Allgemeingültigkeit haben. Denkt man nun an den Suizid der Autorin, muss man sich fragen, ob die in „Three Women“ beschriebene gesellschaftliche Situation nicht eine Mitverantwortung trägt für ihren frühen Tod.
Die späten Gedichte der Sylvia Plath sind alles andere als erbaulich. Das Düstere, das Aufflackern einer Endzeitstimmung hat allerdings stets poetische Struktur. Judith Zander hat die schwierigen, manchmal hermetisch wirkenden Verse gekonnt übersetzt. Man begegnet in den Originaltexten wie in den Übertragungen einer Autorin, die als Lyrikerin feministisch gegen den Zustand der Gesellschaft revoltierte – und doch an diesem zugrunde ging.
Sylvia Plath:
„Das Herz steht nicht still. Späte Gedichte 1960-1963“. Zweisprachige Ausgabe, herausgegeben, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Judith Zander. Suhrkamp, Berlin, 215 Seiten; 25 Euro.