Das Glück, das liebe Glück. Manchmal gar nicht so leicht zu finden. Florian Langenscheidt, Ururenkel des Langenscheidt-Verlagsgründers Gustav und selbst erfolgreicher Unternehmer, treibt die Frage nach dem Glück um. Viele Bücher hat der 67-Jährige darüber verfasst. Im aktuellen „Vom Glück der Freiheit“ (Ariston, 22 Euro) erzählen erfolgreiche Gründerinnen und Gründer von ihrem Weg zum (beruflichen) Glück. Heute stellen einige von ihnen es mit Langenscheidt ab 18.30 Uhr im Munich Urban Colab, Freddie-Mercury-Straße 5, vor. Ein Gespräch vorab über die Frage nach – was sonst?! – dem Glück.
Was ist für Sie Glück?
Ich würde Glück definieren als diese fragilen und eher seltenen Momente des Sich-eins-Fühlens mit den Menschen um sich herum, mit seinen Erwartungen, mit seiner Tätigkeit und mit der Mitwelt insgesamt. In denen die Zeit stillzustehen scheint oder man sich wünscht, dass sie stillsteht, und in denen irgendwie alles stimmt. Diese Momente können passieren in der U-Bahn, im Biergarten, auf dem Berg – wann auch immer. Mit anderen Menschen, alleine, total unterschiedlich und subjektiv.
Sie schreiben, Glück sei eine Entscheidung, die jeder Mensch treffen könne. Setzt das nicht unter Druck? Gerade die Menschen, die Schicksalsschläge erlitten haben?
Bei vielen Büchern, die über das Glück im Laufe der vergangenen Jahre erschienen sind, habe ich diesbezüglich tatsächlich Bedenken. Deshalb ist es mir immer wichtig zu betonen: Nur Glück geht nicht. Glück und Leid sind eng verbunden. Wir wissen auch alle, dass Persönlichkeit erst durch das Meistern von Krisen oder herber Verluste entsteht. Und doch möchte ich daran erinnern, dass es in meiner Hand liegt, wie ich zur Welt stehe. Ob ich primär auf das Dunkle fokussiere oder auf das Helle. Wir neigen dazu, alles Negative zu externalisieren und zu sagen: Mein schrecklicher Partner ist schuld daran, dass ich nicht glücklich bin. Oder mein furchtbarer Chef oder meine unfähigen Mitarbeiter oder das Wetter – nur nicht ich selbst. Dabei sind wir es, die das Steuer in der Hand halten. Wir sind es, die entscheiden, ob wir uns eher aufs Glück fokussieren oder eben nicht.
Glücksratgeber finden hohen Absatz. Eine Konsequenz unseres Wohlstandes? Steigt mit ihm die Freiheit, sich ums individuelle Glück zu bemühen?
Im Moment ist der Wohlstand in den Augen vieler ja eher in Gefahr. Da merkt man dann doch auch den Zusammenhang von Geld und Glück. Wenn ich vom Bürgergeld lebe, sind natürlich jede zehn Euro mehr wichtig, weil ich durch sie einmal mehr Spaghetti kochen kann für meine Kinder. Aber wenn das Geld für die Erfüllung der wichtigen materiellen Bedürfnisse da ist, verliert sich die Korrelation von Glück und Geld ein wenig. Glück wohnt nicht im Tresor. Materieller Wohlstand macht nicht per se glücklich, und die wichtigsten Dinge im Leben kann man nicht kaufen.
Könnte die Inflation auch eine Chance sein, dass wir uns den Wert der Dinge wieder bewusst machen und vergegenwärtigen: So etwas Wertvolles wie Butter jederzeit kaufen zu können, ist großes Glück?
Ja, da bin ich tendenziell bei Ihnen – auch wenn mir Schokolade und Salat wichtiger sind. Einer der wichtigsten Faktoren für die Fähigkeit zum Glück ist die Fähigkeit zur Dankbarkeit. Uns geht’s ja trotz allem sehr gut in diesem Lande. Das dankbar wahrzunehmen, ist wichtig. Das Gegenprogramm dazu ist der Neid. Neid ist einer der größten Glückskiller.
Bräuchten wir ein Schulfach „Glück“?
Der Pädagoge Ernst Fritz-Schubert hat ein solches Fach als kleine Module in weit mehr als 100 Schulen im deutschsprachigen Raum eingeführt. Hier lernen die Schüler, wie wichtig Selbstvertrauen, Freundschaft, Teamorientierung, Ehrlichkeit sind. Forschung dazu zeigt, dass der Unterricht die Glücksfähigkeit erhöht. Ich würde mir wünschen, dass er breiter eingeführt wird. Die Frage, was einen glücklich macht, sollte man sich schon in jungen Jahren stellen, nicht nur bei der Berufswahl.
Sie sagen: Man muss den Mut zum Glück haben.
Mut zum Glück und Mut zum eigenen Weg. Es gibt ja viele Menschen, die es bereits als optimistisch ansehen, wenn sie auf die Frage nach ihrem Befinden antworten: „Kann nicht klagen.“ Ich finde, man sollte mit etwas mehr Ambitionen ans Leben rangehen.
Woher nahmen Sie als junger Mann den Mut, zu gründen? Hätten Sie das auch ohne den Namen Langenscheidt im Rücken getan?
Ich denke ja. Zur Gründung eines Unternehmens braucht man ein Stück Selbstbewusstsein, viel Beharrlichkeit und Neugierde – all das ist stärker im individuellen Charakter angelegt als in der Frage, aus welcher Familie man kommt. Es gibt viele große Gründer und Gründerinnen, die aus extrem einfachen Verhältnissen kommen. Ich persönlich habe diesen Mut immer gehabt. Und Freude daran, andere beim Gründen zu unterstützen. Weil ich weiß, wie glücklich es machen kann, wenn man ins Risiko und nicht den einfachen Weg geht. Das impliziert natürlich, dass man scheitern kann. Aber wenn es dann klappt, ist es ein unbeschreiblich tolles Gefühl, eine Spur im Sein gelegt und einen Beitrag zur Verbesserung der Welt geleistet zu haben.
Für das ganz große Glück muss man auch ein paar Hürden überspringen.
Absolut. Glück ist auch eine Überwindungsprämie dafür, dass man sich etwas getraut oder trotz Risiko durchgezogen hat. Ein unvergleichliches Gefühl. Wenn man immer nur im Bett bleibt, kann man dieses Gefühl nicht haben.
„Es lohnt sich immer, anzufangen und durchzuhalten“, schreiben Sie. Das passt zum neuen Jahr. Machen Sie Vorsätze?
Ja, manche sind jedes Jahr gleich, etwa, dass ich jeden Tag so viele Liegestütze mache, wie ich alt bin. Und dass ich jedes Jahr eine neue Sache lerne. Für dieses Jahr ist es Paragliding. Außerdem habe ich den Vorsatz gefasst, mehr Zeit für Menschen zu haben, die mich gerade wirklich brauchen. Hier nicht nur zu sagen: „Oh, tut mir leid“ und weiterzugehen, sondern sich wirklich Zeit zu nehmen, ein paar Tage bei der Person zu sein und sie zu unterstützen. Das nehme ich mir vor.
Sie scheinen Ihre Ratschläge selbst ganz gut umzusetzen.
Stimmt, oft gelingt es mir. Ich bin ein extrem dankbarer Mensch. Ich stehe manchmal in der Natur und rufe „Danke!“ gen Himmel. Danke dafür, dass der Körper funktioniert, für meine Familie, für meinen Beruf. Dankbarkeit kann so viele Gründe haben. Man muss sie nur sehen.
Das Gespräch führte Katja Kraft.