Es ist keine neue Erkenntnis, dass man im Konzert auch mit den Augen hört. Und es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Stimmen plötzlich unerwartet hervortreten, wenn man das entsprechende Instrument im Blick hat. Besonders spannend ist dies bei Werken wie Anton Weberns „Sechs Stücke für Orchester“. Hier täuscht zunächst der in großer Zahl auf dem Podium versammelte Klangkörper, der vom Komponisten nur selten, dann aber überaus wirkungsvoll in kompletter Stärke genutzt wird. Eine gute Gelegenheit für Dirigentin Susanna Mälkki, um mit den Philharmonikern gewissenhaft den Dialog im kleinen Format zu pflegen und das Ensemble auf das folgende Oboenkonzert von Richard Strauss einzuschwören.
Denn auch dieses leichtfüßig tänzelnde Spätwerk des Garmischer Meisters lebte vor allem von der kammermusikalischen Interaktion zwischen Andrey Godik und den Orchestermitgliedern, die ihrem neuen Solo-Oboisten hiermit endgültig das Vertrauen aussprachen. Der junge Russe zeigte sich dabei als aufmerksamer interagierender Team-Player, der an gegebener Stelle aber ebenso selbstbewusst die Führungsrolle übernahm. Stets weich und ausgeglichen im Ton sowie filigran artikulierend, aber dennoch mit dem nötigen Nachdruck für den Finalsatz.
Ein Ereignis für sich war ebenfalls die „Lemminkäinen-Suite“, mit der Susanna Mälkki in die Sagenwelt ihrer finnischen Heimat entführte und bewies, dass sie sich nicht nur auf ihren Ruf als Spezialistin fürs Zeitgenössische reduzieren lässt, sondern auch die Musik von Jean Sibelius im Blut hat – mit einer wohlkalkulierten Balance zwischen großem spätromantischem Gestus und anrührender Schlichtheit, die sich gerade im berühmten „Schwan von Tuonela“ manifestierte. Dominiert vom melancholischen Englischhorn und mit einem nicht minder wehmütigen letzten Kommentar des Solo-Cellos, ehe Susanna Mälkki in der abschließenden Episode den volkstümlich deftigen Tonfall zurückkehren ließ, der bereits in den Tanzrhythmen des ersten Satzes für farbenreiche Kontraste gesorgt hatte.