Anne will nicht mehr

von Redaktion

Moderatorin gibt überraschend ihren Talk im Ersten ab – Die Hintergründe

VON STEFANIE THYSSEN

Am Sonntag kommt sie aus der Winterpause zurück, um über die wichtigsten Themen der Woche zu diskutieren – zuvor katapultierte sie sich selbst in die Schlagzeilen: Anne Will macht Schluss mit dem Sonntagstalk im Ersten. Das kündigte der NDR am Freitag an. Ein Paukenschlag.

Wann ist Schluss?

Das ganze Jahr über wird die 56-Jährige noch aus Berlin senden. Ende 2023 wird Anne Will Servus sagen – nach dann 16 Jahren, die sie das Format fürs Erste moderiert und übrigens mit ihrer Firma auch produziert hat.

Warum hört sie auf?

Es ist wohl eine sehr persönliche Entscheidung, die Anne Will hier getroffen hat. Ihr Vertrag läuft Ende des Jahres aus. Dem Vernehmen nach hätte die ARD gern verlängert. Das aber schloss die gebürtige Kölnerin aus – zugunsten neuer Aufgaben. „2024 ist Neustart angesagt!“, erklärt sie in einer Mitteilung des Senders. Dann sei Zeit für Veränderung, andere Projekte, neue Perspektiven. Anne Will: „Ich habe die Sendung immer außerordentlich gern gemacht und bin unendlich dankbar für das Vertrauen in meine journalistische Arbeit und den großen Erfolg.“ Jetzt sei ein guter Zeitpunkt, um aufzuhören.

Wie lief die Sendung zum Schluss?

Sehr gut. Die Quoten jedenfalls können nicht der Grund für den Abschied sein. Anne Will ist die meistgesehene politische Diskussionssendung im deutschsprachigen Fernsehen. Und: Die zurückliegenden beiden Jahre waren die erfolgreichsten in der Geschichte der Sendung. 2022 schalteten im Schnitt mehr als 3,6 Millionen Zuschauer ein.

Was sagt der Sender?

Ihr Chef beziehungsweise Auftraggeber, NDR-Intendant Joachim Knuth, hat nur lobende Worte für seine Talklady übrig: „Anne Will hat die politische Diskussion im Land über viele Jahre mit großem Erfolg geprägt: Sie informiert, überrascht, manchmal provoziert sie auch.“ Für diese konstante Leistung sei er „Frau Will“ sehr dankbar.

Wie geht es weiter?

Anne Will, so scheint es durch, will weiter journalistisch arbeiten. Und ist, was die eingangs zitierten „neuen Projekte“ betrifft, bereits im Gespräch mit dem NDR. Dass sie als Moderatorin ein neues Format präsentieren wird – unwahrscheinlich. Dann hätte sie ja gleich beim Talk bleiben können. Näherliegend sind etwa Dokumentationen oder Porträts. Dass die ARD hingegen weiterhin sonntags um 21.45 Uhr eine politische Talkshow senden wird, steht nach Informationen unserer Zeitung fest.

Wer könnte übernehmen?

Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten – was wahrlich kein gutes Licht auf die Nachwuchsarbeit der ARD in diesem Bereich wirft. In den Dritten Programmen gibt es jedenfalls keinen jungen politischen Talker, der sich aufdrängen würde. Wer eine Sonntagssause sicher im Kreuz hätte, ist Ingo Zamperoni. Bei den „Tagesthemen“ hat er zuletzt gezeigt – man denke nur an das Gespräch mit Robert Habeck –, dass er Interviews führen kann. Marietta Slomka aus dem „heute-journal“ natürlich ebenso. Der Name Markus Lanz gehört auch in die Diskussion. Er ist selbstbewusst genug, es sich zuzutrauen, handwerklich mit allen Talk-Wassern gewaschen und hat vor nicht allzu langer Zeit offen gegen seinen Sender, das ZDF, gestänkert, als es um die ewig unterschiedliche Anfangszeit seiner Talkrunde ging. Die „Kollegen im Ersten“ bekämen „komischerweise ein verlässliches Sendeschema hin“, so der 53-Jährige damals.

Man könnte auch an Linda Zervakis denken. Sie macht ihre Sache bei ProSieben nicht schlecht, hat vor der Bundestagswahl 2022 – übrigens gemeinsam mit Neu-ARD-Talker Louis Klamroth – Gespräche mit Olaf Scholz, Annalena Baerbock und anderen geführt – und dürfte beim Privatsender unglücklich sein angesichts der Tatsache, dass „Zervakis & Opdenhövel. Live“ fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit läuft.

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