Das große Pech von Gina Lollobrigida war ihr unfassbar gutes Aussehen, wenn man das so sagen darf. Sie war ein kreativer Kopf, hatte Bildhauerei sowie Operngesang studiert und war eine exzellente Schauspielerin. Aber in den Köpfen der Menschen blieb sie oft einfach nur die „schönste Frau der Welt“ und ein Sexsymbol. Lollobrigida selbst wusste das und gab freimütig zu, Bewunderung immer genossen zu haben. Ihr ist klar gewesen, wie ihr Aussehen, ihre leicht verruchte Stimme, ihre erotische Aura auf Männer wirkte. „Ich bin da ein bisschen verdorben, ich hatte immer sehr viele Verehrer.“ Jetzt ist die italienische Ikone mit 95 Jahren gestorben.
1927 in eine wohlhabende Familie bei Rom geboren, landet sie bereits als Teenager vor der Kamera. Auf der Straße hat man die auffallend attraktive Gina angesprochen, zunächst modelt sie, gewinnt ein paar Schönheitswettbewerbe und tritt bald in Hauptrollen auf. Ihr Glück ist, dass das italienische Nachkriegskino international beachtet wird – und so ergattert sie 1952 im opulenten Abenteuerklassiker „Fanfan, der Husar“ eine Hauptrolle. Es folgt eine Art „Lollobrigida-Mania“, sie wird als europäische Antwort auf Hollywood-Sirenen wie Jayne Mansfield oder Marilyn Monroe wahrgenommen.
Schon 1953 steht sie in „Schach dem Teufel“ neben Humphrey Bogart vor der Kamera und wählt danach mit sicherer Hand mal ausgesprochen erfolgreiche, mal künstlerisch ambitionierte Projekte. Sie ist ein gefeierter Star, aber als Schauspielerin nicht so recht anerkannt. Viermal in Folge wird sie beispielsweise in Deutschland mit dem Bambi ausgezeichnet, bei Festivals geht sie hingegen leer aus, und die Filmkritik ignoriert sie im besten Fall. Lollobrigida, mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet, lamentiert nicht und liefert unbeirrt Klassiker ab, „Trapez“ etwa oder als einzig wahre Esmeralda in „Der Glöckner von Notre Dame“, beide von 1956. Sie dreht mit den größten Stars ihrer Zeit und lässt sich von Namen wie Sean Connery, Rock Hudson oder David Niven nicht beeindrucken – Bogart tauft sie wegen ihrer unnahbaren Art am Set auf den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Eisschrank“.
So unzugänglich sie sich bei Kollegen gibt, so impulsiv agiert sie außerhalb der Arbeit. Sie hat kein Problem, das Klischee der temperamentvollen Südländerin zu bedienen, und spielt sehr bewusst mit ihrem Status als Inbegriff mediterraner Sinnlichkeit. Auf jüngere Konkurrenz angesprochen, lässt sie sinngemäß wissen, dass sich 20-Jährige um den Gefrierpunkt herum bewegen und Frauen erst ab 40 richtig heißlaufen. Als später ruchbar wird, dass Lollobrigida über Jahre eine Affäre mit einem damals Minderjährigen hat, schlägt das hohe Wellen – überrascht aber keinen. Wie bei anderen Diven auch, ist das Privatleben fast aufregender als jedes Drehbuch.
1972 beschließt sie, dem Film den Rücken zu kehren. „Mein Kino gibt es nicht mehr“, erklärt sie lapidar. Auch ohne neue Filme bleibt ihr Name ein Begriff und steht weiter für Erotik. Noch 1991 kann die Komödie „The Commitments“ einen Witz mit Bezug auf Lollobrigida reißen, den jeder versteht. Sie selbst hat da eine Art spätes Comeback und erfährt Anerkennung. Ab und an tritt sie noch auf, meist im Fernsehen. Die neue Aufmerksamkeit nutzt sie sofort, um wieder Rabatz zu machen. Als Jurypräsidentin der Berlinale erklärt sie 1986 auf offener Bühne, dass sie den Gewinnerfilm „Stammheim“ schlecht finde und er nur aus politischen Gründen einen Preis bekomme. Die pikierte Reaktion der Festival-Verantwortlichen ist ihr völlig egal.
Sie braucht die Filmwelt nicht mehr, widmet sich lieber der Bildhauerei und gelegentlich ihrem politischen Engagement, wobei sie im Unterschied zu anderen Kolleginnen gesunden Menschenverstand erkennen lässt. Nun ist sie in Rom gestorben, eine der letzten großen Damen des Weltkinos.