Gute Kunst ist ja immer bewusstseinsverändernd. Hebt die bisherige Wahrnehmung aus den Angeln und wandelt den Blick auf die Welt. Was auf „Leise Laute“, das neue Stück in der Münchner Schauburg, absolut zutrifft. Wer anschließend wieder vor dem Kinder- und Jugend-Theater auf der Franz-Joseph-Straße am Elisabethplatz steht, wird das Motorengebrumm und Straßenbahngerassel, die Fahrradklingeln und das Autogehupe nie wieder ausschließlich als störenden Lärm wahrnehmen. Sondern nur noch als eine fantastische, sich permanent verändernde Symphonie des Alltags. An der auch Tiere und Menschen teilhaben. Denn Regisseur Anselm Dalferth und Komponist Nicholas Morrish vom Kollektiv Kling Klang Klong gelingt es mit dem fantasievollen Musiktheaterstück „Leise Laute“ tatsächlich, die Sinne des Publikums zu schärfen.
Drei Schauspieler (Helene Schmitt, Michael Schröder, David Benito Garcia) und vier Musiker (Ines Ljubej, Mathias Götz, Silvia Berchtold, Vera Drazic) begeben sich abwechselnd als Forscher oder Tiere auf die Suche nach unbekannten Klängen. Mit Mikrofonangeln und unterschiedlichen Instrumenten von Akkordeon über höchst exotisch anmutende Flöten bis zu einem fahrbaren Xylofon versuchen die Menschen, geheimnisvolle Tonlandschaften zu entdecken und mit Tieren zu kommunizieren. Bei Katzen und Hunden ist das nichts Neues. Auch das Tröten eines Elefanten, das Zischeln einer Schlange oder das Quaken der Frösche kennt man. Aber wer hat schon einmal die fröhlichen Gesänge der Ameisen oder das traurige Klagen eines Bibers hören können?
Zuschauerreihen rahmen den mit allerlei wunderlichen Gerätschaften vollgestellten Bühnenraum von drei Seiten ein. Neben umfangreichen Röhrenlandschaften in Blau und Rot, aus denen Grasbüschel sprießen, finden sich Berge aus braunem Fell oder weiße Plastikfransen-Vorhänge, die je nach Beleuchtung neu erstrahlen. Mal betörend und verlockend in Rot- und Rosatönen, mal eher kühl und fast ein bisschen unheimlich in Blau oder Grün.
Im Laufe der gut einstündigen Aufführung zeigt sich, wie clever das Bühnenbild arrangiert ist. Wozu man diese Gräser, Felle und Schalen mit Kieselsteinen gebrauchen kann. Helene Schmitt, Michael Schröder und David Benito Garcia bespielen beinahe jede Ecke des Theaterraums, turnen durch die Zuschauerreihen oder über Treppen und Hochstühle. Immer auf der Suche nach dem Ursprung der Musik, nach dem schönsten Lied in einem Dickicht der Stimmen und Geräusche.
Dalferth bietet auch den vielseitigen Musikern Möglichkeiten zum Glänzen. Sämtliche Stile werden angespielt und so den jüngsten Zuschauern schon auf sympathisch-beiläufige Art nahegebracht. In diesem ungewöhnlichen Theaterprojekt lernen Kinder ab dem Grundschulalter (Kleinere fürchten sich eventuell, weil es gelegentlich dunkel wird) nicht nur, auf welche Arten sich Tiere unterhalten können. Sondern auch, wie wichtig es ist, sie dabei nicht andauernd zu stören.
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